«Zwitterprozess»: Krankenpflegerin siegt erneut gegen Chirurgen
Hebamme hatte Geschlecht falsch bestimmt
Im Kölner «Zwitterprozess» hat eine Krankenpflegerin auch im Berufungsverfahren einen juristischen Sieg über einen Chirurgen erzielt. Der Mediziner habe der heute 49-Jährigen in einem rechtswidrigen operativen Eingriff vor 31 Jahren die inneren weiblichen Geschlechtsorgane ohne vorherige ausreichende Aufklärung entnommen und sie damit «schuldhaft in ihrer Gesundheit und ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt». Das entschied das Kölner Oberlandesgericht (OLG) nach Mitteilung im September 2008 (AZ: 5 U 51/08) und wies damit die Berufung des bereits in erster Instanz unterlegenen Chirurgen zurück. Das Kölner Landgericht hatte der Klägerin nach langem Leidensweg und der folgenschweren Operation von 1977 im Februar 2008 Anspruch auf Schmerzensgeld zugesprochen.
Das bisher beispiellose Verfahren der Krankenpflegerin Christiane V. hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Sie war mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen zur Welt gekommen und fälschlicherweise von der Hebamme als Junge vermerkt worden. Sie wuchs als Junge auf, fühlte sich aber als Mädchen, musste zahlreiche Hormonbehandlungen über sich ergehen lassen, hatte gesundheitliche Probleme und hegte Selbstmord- Gedanken. Erst im Jugendlichen-Alter wurden bei «Thomas» während einer Blinddarm-Operation zufällig innere weibliche Geschlechtsorgane entdeckt. Die Entfernung der intakten Eierstöcke und der Gebärmutter durch den beklagten Chirurgen sei rechtswidrig gewesen, urteilte das OLG Köln.
Der Arzt habe der damals 18-Jährigen die inneren Geschlechtsorgane entnommen, obwohl sich nach Beginn des Eingriffs ein «essenziell» anderer Befund als erwartet ergab, wie die Richter betonten. Während vor dem Eingriff ein gemischt weiblich-männliches Geschlecht mit verkümmerten weiblichen Geschlechtsorganen angenommen worden war, zeigte sich mit OP-Beginn eine normale weibliche Anatomie mit intakter Gebärmutter und Eierstöcken. «Ohne eine erneute Aufklärung hätte die Krankenpflegerin nicht weiter operiert werden dürfen», betonte das Oberlandesgericht.
Der OLG-Beschluss ist nicht anfechtbar. Nun muss das Kölner Landgericht in einem weiteren Verfahren über die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs entscheiden. Die Klägerin hatte 100 000 Euro verlangt, da sie mit dem Eingriff unumkehrbar und gegen ihren Willen biologisch zum Mann gemacht worden sei.