Steuerregelung zum Abzug der Krankenvorsorge verfassungswidrig

Bundeshaushalt drohen millionenschwere Einnahmeausfälle

Dem Bundeshaushalt drohen erneut millionenschwere Einnahmeausfälle: Der Bundesfinanzhof (BFH) hält die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten bei Krankenversicherungsbeiträgen für zu niedrig und damit für verfassungswidrig. Der 10. BFH-Senat setzte einen entsprechenden Steuerprozess deshalb aus und legte den Fall dem Bundesverfassungsgericht vor, wie das oberste Steuergericht im Januar 2006 in München mitteilte.

Sollten die Karlsruher Verfassungsrichter die entsprechende Bestimmung kippen, würde dies zu einem Millionenloch im Bundesetat führen, sagte der Senatsvorsitzende Peter Fischer. Nach Auffassung des BFH müssen «existenznotwendige Aufwendungen des Steuerpflichtigen steuerlich verschont werden» - der Bürger müsse sie also vom zu versteuernden Einkommen abziehen können. Zu solchen Aufwendungen gehörten auch Beiträge zur Krankenversicherung, sofern deren Leistungen sich im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bewegten und keine Luxusbehandlung etwa nur durch Chefärzte vorsähen.

Die Krankenkassenbeiträge dienten der eigenverantwortlichen Vorsorge gegen ein stets gegenwärtiges Lebensrisiko, betonte der 10. BFH-Senat in seinem Vorlagebeschluss (Az.: X R 20/04). Dieser Vorsorge könne sich der Steuerpflichtige nicht entziehen. Zwar sei es nach Gesichtspunkten der Steuersystematik richtig, solche Aufwendungen nicht in den steuerlichen Grundfreibetrag - das so genannte steuerfreie Existenzminimum - einzubeziehen. Aber der Gesetzgeber müsse dem individuellen Vorsorgebedarf durch eine realitätsgerechte Bemessung des Sonderausgabenabzugs Rechnung tragen.

Kläger in dem Steuerverfahren sind ein freiberuflich tätiger Rechtsanwalt und seine Ehefrau, die sechs Kinder haben. Sie hatten nicht hinnehmen wollen, dass sie 1997 für die privaten Krankenversicherungen der Familie 32 000 Mark (rund 16 300 Euro) bezahlen mussten, aber nach den damaligen Bestimmungen nur 19 800 Mark in der Steuererklärung als Sonderausgaben geltend machen konnten.

Da der Mann als Freiberufler privat versichert ist, sind seine Kinder anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht beitragsfrei mitversichert. Der BFH nahm dies zum Anlass, auch mehr Familiengerechtigkeit in der Steuergesetzgebung anzumahnen. Wenn Eltern im Rahmen der Unterhaltspflicht für ihre Kinder Beiträge zu Krankenversicherungen entrichten müssten, sei der Gesetzgeber gehalten, diese Belastung angemessen steuerlich zu berücksichtigen - andernfalls liege eine verfassungswidrige Benachteiligung der Familie vor.

Die einschlägigen Bestimmungen im Einkommensteuergesetz seien nach 1997 aber geändert worden, erläuterte Fischer. Demnach können Alleinstehende ihren Krankenkassenbeiträge derzeit bis zu 2400 Euro als Sonderausgaben geltend machen, Verheiratete bis zu 4800 Euro. Mit
diesem Freibetrag sind aber auch andere Vorsorgeaufwendungen wie Beiträge zu Unfall- oder Haftpflichtversicherungen abgegolten. Der BFH rechnet damit, dass viele Bürger ihre Steuerbescheide nun mit Hinweis auf die ausstehende Karlsruher Entscheidung vorsorglich anfechten werden, um möglicherweise noch rückwirkend in den Genuss eines verbesserten Sonderausgabenabzugs zu kommen.