Tätigkeit als Zigaretten-Auffüller zumutbar

Für Berufsunfähigkeitsrenten gelten strengere Maßstäbe

Die Arbeit als Zigarettenautomaten-Auffüller ist kein unzulässiger Drogenhandel und deshalb nach höchstrichterlicher Auffassung für einen Berufsunfähigen zumutbar. Das hat das Kasseler Bundessozialgericht am 9. Oktober 2007 entschieden. Nur weil die Tätigkeit etwas mit dem Rauchen zu tun habe, dürfe ein Antragsteller auf eine Berufsunfähigkeitsrente eine solche Arbeit nicht ablehnen. «Der Gesetzgeber hat sich entschieden, dem Konsumenten die Entscheidung zu überlassen, sich zu schädigen. Der Rentenversicherer hat nur zwischen den Interessen des Einzelnen und der Gemeinschaft, also den Beitragszahlern abzuwägen.» In diesem Fall müssten persönliche Motive zurücktreten (Az.: B 5b/B KN 2/07 R und B 5b/8 KN 3/07 R).

Geklagt hatten zwei ehemalige Bergarbeiter aus Gelsenkirchen. Ihr Antrag auf eine Berufsunfähigkeitsrente war von der Knappschaft-Bahn-See abgewiesen worden, weil beide zum Beispiel als Verkaufsfahrer arbeiten und Zigarettenautomaten auffüllen könnten. Für diese Arbeit seien sie geeignet und gesundheitlich in der Lage. Die beiden Männer, heute 41 und 45 Jahre alt, hatten das als unzumutbar abgelehnt, weil sie sich nicht am «Handel mit der Droge Nikotin» beteiligen könnten. Zumindest einer der Männer hat laut Gutachten selbst jahrelang stark geraucht.

«Der Staat unternimmt alles, um die Menschen vom Rauchen abzuhalten. Und dann soll einer zum Zigarettenhändler gemacht werden? Das ist Irrsinn», sagte der Rechtsanwalt der Kläger, Günther Keller. Seine Mandanten hätten «keine Lust, ein kleines Rädchen bei der Abhängigmachung von Menschen zu werden». Auch der legale Handel mit einer «überaus schädlichen Droge» sei unzumutbar. «Ich will hier keine Gleichstellung mit einem illegalen Dealer, aber auch ein legale Droge ist eine Droge.» Die beklagte Knappschaft-Bahn-See verwies auf die Rechtslage: «Herstellung und Verkauf von Zigaretten sind erlaubt. Es ist die Freiheit des Einzelnen, sich für oder gegen Tabak oder Alkohol zu entscheiden.»

Die Richter folgten dieser Auffassung. «Es muss einen wichtigen Grund geben, bestimmte Tätigkeiten grundsätzlich abzulehnen. Persönliche Interessen genügen da nicht.» Schließlich gehe es um eine Rente, die die Gemeinschaft zahlen würde, also müssten auch deren Interessen berücksichtigt werden. Zwei ähnlich lautende Urteile des Landessozialgerichts von Nordrhein-Westfalen hoben die Bundesrichter dennoch auf, allerdings aus formalen Gründen.

Vor genau 20 Jahren hatte das Bundessozialgericht einem Maschinenschlosser Recht gegeben, der als Kriegsdienstverweigerer keine Marineschiffe warten wollte. Deshalb durfte das Arbeitsamt ihn nicht mit Leistungskürzung strafen. Im aktuellen Fall verwiesen die Richter allerdings darauf, dass für Berufsunfähigkeitsrenten strengere Maßstäbe gelten müssten.

dpa