Kein Schmerzensgeld für Eltern eines gestorbenen Koma-Patienten

Pflegeheim weigerte sich einen Patienten sterben zu lassen

Ein Pflegeheim, das sich geweigert hat, einen Koma-Patienten sterben zu lassen, muss keinen Schadenersatz und kein Schmerzensgeld an die Angehörigen zahlen. Mit dieser Entscheidung hat das Oberlandesgericht (OLG) München am 26. April 2006 die Zivilklage der Eltern eines Wachkoma-Patienten abgewiesen und ein gleich lautendes Urteil des Landgerichts Traunstein bestätigt. Die Eltern des 2004 gestorbenen Mannes hatten ihre Klage mit der Weigerung des Heimes begründet, die künstliche
Ernährung abzustellen und den Patienten sterben zu lassen. Er war schließlich nach einem Infekt gestorben.

Der Anwalt der Eltern kündigte Rechtsmittel gegen das OLG-Urteil an. Wenn der Bundesgerichtshof (BGH) sich mit dem Fall befasse, könnten endlich noch offene Fragen der Sterbehilfe höchstrichterlich geklärt werden, erklärte der Rechtsanwalt. Nur darum gehe es den Eltern, nicht ums Geld. Sollte ihnen doch noch eine Entschädigung zugesprochen werden, wollten sie diese für Sterbehospize in Bayern spenden.

Der Sohn lag nach einem Selbstmordversuch im Juli 1998 bis zu seinem Tod fast sechs Jahre im Wachkoma. Er starb schließlich an einem fieberhaften Infekt, den der Hausarzt damals nicht mehr behandelte. Nach Angaben der Anwälte der Familie handelte es sich dabei um eine legale passive Sterbehilfe. In zwei Prozessen hatten die Eltern zuvor vergeblich versucht, das Heimpersonal zur gewünschten Sterbehilfe verpflichten zu lassen.

Der Vater hatte als Betreuer verlangt, das Pflegepersonal solle auf die künstliche Ernährung verzichten und seinem schwerst hirngeschädigten Sohn so einen «würdigen Tod» durch weitgehenden Flüssigkeitsentzug ermöglichen. Er berief sich auf einen Jahre zuvor vom Sohn klar zum Ausdruck gebrachten Patientenwillen. «Wenn ich einmal in einem irreversiblen Koma liegen sollte, müsst Ihr mich sterben lassen», soll der Sohn zu den Eltern gesagt haben. Allerdings lag von ihm keine schriftliche Patientenverfügung mit klaren Fallkonstellationen vor.

Auch das OLG München hatte sich damals mit dem Fall befasst und «das Recht der Pflegekräfte auf Berücksichtigung ihrer Gewissensentscheidung» betont. Demnach können sie zur Mitwirkung am Tod eines Patienten nicht gezwungen werden, hatten die OLG-Richter damals befunden.

Erst mehr als ein Jahr nach dem Tod des Patienten hatte der BGH nach Angaben des Anwalts der Familie im Rahmen einer Kostenentscheidung festgestellt, dass die Zwangsernährung des Mannes rechtswidrig gewesen sei. Der BGH-Entscheidung zufolge sei eine Ernährung über eine Magensonde gegen den Patientenwillen, wie er sich aus dessen mündlicher Patientenverfügung ergebe, ein unzulässiger Eingriff in die körperliche Integrität. Weder aus dem Heimvertrag noch aus den Grundrechten der Pflegekräfte ergebe sich eine Befugnis des Pflegeheims, einen Patienten zwangsweise zu ernähren. Das Selbstbestimmungsrecht und die Gewissensfreiheit der Pflegekräfte fänden ihre Grenzen am entgegenstehendenWillen des Patienten.

Offenbar auch mit Blick auf diese BGH-Entscheidung vom Sommer 2005
erklärten die OLG-Richter nun in der Abweisung der Zivilklage, sie hätten dabei nicht darüber zu befinden, wie nach heutiger Rechtslage zu entscheiden wäre. Bei ihrer Entscheidung sei vielmehr nur die Rechtslage, wie sie sich den Heim-Verantwortlichen damals dargestellt habe, maßgeblich gewesen.

Nach der weltweiten Anteilnahme am Schicksal der US-Amerikanerin Terri Schiavo war auch der Rechtsstreit um den Patienten aus Bayern auf großes öffentliches Interesse gestoßen. Um Schiavo hatte es ebenfalls einen jahrelangen Streit gegeben, mit dem sich auch die Politik und der Oberste Gerichtshof der USA befassten. Schiavo starb am 31. März 2005, nachdem ihr Ehemann gerichtlich die Einstellung ihrer künstlichen Ernährung durchgesetzt hatte.

dpa