Der Hype ums Einhorn: Zwischen Mythologie und Schokolade Von Magdalena Henkel und Alina Schmidt, dpa
Schon vor 4000 Jahren verehrt, ist das Einhorn bis heute ein
populäres Symbol - warum fasziniert ein Wesen, das niemand je gesehen
hat, noch immer so sehr?
Berlin (dpa) - Dem Einhorn ist im Alltag kaum zu entkommen. Es
begegnet uns als Schlüsselanhänger, gedruckt auf Shirts oder in Form
von Süßigkeiten. Obwohl das Fabeltier den Menschen schon seit
Jahrtausenden begleitet, hat es seinen Glanz noch immer nicht
verloren. Aber warum nicht?
«Die Sehnsucht nach etwas, das Hoffnung, Reinheit oder Magie
verkörpert, ist einfach da. Und das Einhorn trifft genau diesen
Nerv», erklärt die Wirtschaftspsychologin Doreen Ullrich im Interview
der Deutschen Presse-Agentur. Für Kinder seien sie beinahe wie ein
Schutzwesen, für Erwachsene ein Glücksanker. «Sie berühren etwas, d
as
in uns bleibt, auch wenn wir längst erwachsen sind.» Für Ullrich sei
das Einhorn mehr als Kitsch: «Das ist gelebte Symbolik.»
Überdauernder Hype
Seinen Weg in die Popkultur, insbesondere in Filme und Serien, findet
das Einhorn in den 1980er-Jahren. Mit «Das letzte Einhorn» erscheint
1982 einer der bekanntesten Zeichentrickfilme. Die Faszination brach
seitdem nicht ab - im Gegenteil. Große Marken wie Katjes, Ritter
Sport oder Starbucks bringen Einhorn-Produkte auf den Markt. Das
Videospiel Fortnite setzt ebenfalls auf das Fabeltier.
Während Verpackungen sich dem Zeitgeist anpassten, sei das
Entscheidende bei Einhorn-Produkten nicht die Farbe oder das Funkeln,
sondern die Magie dahinter, findet Ullrich. Weil das Pferd mit Horn
die Menschen berühre, funktioniere es so gut im Marketing. Dabei
würde sie das mythische Tier nicht als Trend bezeichnen - im
Gegensatz zu Avocados oder Otter. «Es ist kein Trendtier, sondern ein
Symbol», betont die Wirtschaftspsychologin: «die Erinnerung, dass es
noch Magie gibt.»
Die am Samstag startende Ausstellung «Einhorn. Das Fabeltier in der
Kunst» im Potsdamer Museum Barberini umfasst beinahe 150 Werke, die
sich allein um das magische Pferd drehen. Wie kann es sein, dass ein
Tier, das nie jemand in der Realität gesehen hat, so oft dargestellt
wird? Und woher kommt das Fabelwesen? Diese Fragen sollen vor Ort
untersucht und dokumentiert werden, sagt Chefkurator des Barberini,
Michael Philipp.
Die Ursprünge des Einhorns
Die frühesten Darstellungen des Einhorns stammen aus der Indus-Kultur
rund 2.000 vor Christus, im heutigen Pakistan und Teilen Indiens
sowie Afghanistans. Es gibt Philipp zufolge viele kleine
Siegelsteine, auf denen ein Einhorn abgebildet ist. Die Bedeutung sei
jedoch nicht bekannt. Solch ein Siegelstein wird im Barberini zu
sehen sein und ist mit rund 4.000 Jahren das älteste Stück der
Ausstellung.
Unter anderem aus dem alten Persien rund 1.000 vor Christus und aus
China etwa 200 vor Christus gibt es ebenfalls Darstellungen. Somit
erscheint das Einhorn in der Geschichte und der Kunst zuerst in
Asien, lange bevor es in Europa ankommt.
Heute scheint das weiße Pferd Standard in der Einhorn-Darstellung zu
sein. Das Bild hat sich aber über die Jahrtausende gewandelt. Philipp
zufolge stellten frühere Darstellungen eine Ziege mit Horn dar. Zudem
galt das Einhorn als wild und aggressiv, griff sogar Elefanten an und
ließ sich lebend nicht fangen. Gegen Ende des Mittelalters setzte
sich schließlich die edlere Darstellung als Pferd durch - wenn auch
oft der Ziegenbart weiter übernommen wurde, wie der Historiker weiter
erläutert.
Medizinischer Aberglaube
Auf Tassen, Kleidung, Deko und in diversen weiteren Formen ist das
Einhorn heute im Handel omnipräsent. Doch das Business um das
gehörnte Fabeltier ging schon sehr viel früher los. «Man hat
geglaubt, dass das Horn des Einhorns gegen jede Art von Vergiftung
schützt», so Philipp. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit boomte
daher der Handel mit angeblichen Einhorn-Hörnern, die in vielen
Fällen in Wahrheit der Stoßzahn eines Narwals waren.
«Die Menschen haben Stücke vom Horn klein gerieben und als Pulver zu
sich genommen, wenn sie glaubten, krank oder vergiftet worden zu
sein», sagt Philipp. Selbst Adelige hätten auf dem Esstisch ein Stück
Horn gehabt, um sich vor Gift schützen zu können.
Selbst in Apotheken wurde mit vermeintlichem Einhorn-Pulver hantiert,
erklärt der Historiker. Im 17. Jahrhundert begann man viele Apotheken
nach dem Fabeltier zu benennen, da zu diesem Zeitpunkt mehr
Narwalzähne nach Europa kamen. Dadurch wurden sie billiger, was mehr
Apotheken den Verkauf ermöglichte. Weiterhin gibt es zahlreiche
Einhorn-Apotheken in Deutschland.
Anders als bei anderen Gestalten, gibt es beim Einhorn jedoch keine
konkreten Erzählungen, an die es gebunden wäre. Das Einhorn kann
nicht herbei gezwungen werden - in der Geschichte erschien es quasi
nur aus freien Stücken. Philipp bemerkt: «Und gerade dieses
Unverfügbare zusammen mit dem Magischen spielt vielleicht heute auch
noch eine Rolle für das Positive, das viele Menschen in das Einhorn
hineininterpretieren.»
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