Die Ho-Ho-Hochschule: Hier werden Weihnachtsmänner gemacht Von Jonas-Erik Schmidt, dpa
Es ist erst Herbst - aber für angehende Weihnachtsmänner beginnt
bereits die heiße Phase. Bei einer Schulung feilen sie an Stimme,
Auftritt und Kostüm - alles für leuchtende Kinderaugen im Dezember.
Düsseldorf (dpa) - Wenn zehn Männer im Hinterraum einer Kneipe
zusammensitzen und besprechen, wie man möglichst unerkannt in fremde
Häuser eindringt, klingt das zunächst nach einem Mafia-Film. Doch
Stefan Dößereck - der Wortführer - und seine Kollegen haben keinerlei
finstere Pläne, wie schnell klar wird - sondern das genaue Gegenteil.
Statt auf einen Paten wird die Runde auf einen sympathischen älteren
Herren eingeschworen, der Kinderaugen zum Leuchten bringt. «Wir
wissen, wie der Weihnachtsmann aussieht. Wir wissen, wann er kommt.
Und wir wissen, was er macht», sagt Dößereck. «Sollen uns die ander
en
mal beweisen, dass es ihn nicht gibt.»
Es ist eine Art Glaubensbekenntnis, das am Anfang jeder seiner Kurse
steht. Dößereck lehrt seit Jahren, wie man einen guten Weihnachtsmann
verkörpert. Ein bisschen Rest-Glaube an den Rauschebart-Träger sollte
schon vorhanden sein, findet er - nur so könne man auch sein «Helfer»
sein.
An diesem ausgesprochen herbstlichen Oktobernachmittag haben Dößereck
und sein Kollege Markus von Juterczenka in eine Gaststätte nach
Düsseldorf-Unterrath zu einer Weihnachtsmann-Schulung eingeladen.
Angehende Weihnachtsmänner können sich hier auf ihre Mission
vorbereiten oder - sofern bereits Erfahrung im Ho-Ho-Ho-Business
vorhanden ist - am Rüstzeug feilen. 20 Euro kostet ein Platz. Am Ende
gibt es ein Diplom.
Wenn man fragt, warum man schon im Oktober für Weihnachten üben muss,
sagt der Kurs-Leiter: «Die Feuerwehr übt das Löschen auch bevor es
brennt.» Während vorn in der Kneipe Altbier-Dunst durch die Luft
wabert, riecht es im separierten Schulungsraum nach Lebkuchen.
Es heißt «Gewand» - nicht Kostüm
Inhalt der Schulung sind Tipps zum Auftreten und Sprache - und auch
die Kostümkunde. Was gehört dazu? Was nicht? Ein- oder Zweiteiler?
Wobei Markus von Juterczenka rasch warnend die Hand hebt - er spricht
lieber von «Gewand» als von «Kostüm». «Das Wort Kostüm mag ic
h nicht.
Kostüm ist Karneval - und wir feiern keinen Karneval.»
Das Kostüm-Thema - nein, Gewand! - eröffnet er zudem mit einem
didaktischen Kniff: Er zeigt ein Schock-Beispiel. Von einem Haken
holt er eine Art rotes Ganzkörper-Leibchen mit Fusselbart - so etwas
Scheußliches gebe es im Internet für fünf bis sieben Euro. «Gerade
in
der Adventszeit gibt es inflationäre Ausstattungsmöglichkeiten»,
warnt Kollege Dößereck. Auf keinen Fall aber sollte man damit
Menschen gegenübertreten. Der Weihnachtsmann werde so nur zur
Lachnummer und - das ist der Punkt - verliere Glaubwürdigkeit.
Überlebenstipps für Weihnachtsmänner
Dößereck ist vor 30 Jahren erstmals als Weihnachtsmann aufgetreten,
für sein Patenkind und Nachbarskinder. Es lief ganz gut - zumindest
sei aus allen Kindern «etwas geworden», versichert er. Seitdem lässt
ihn das Thema nicht mehr los. Er hat einen Weihnachtsmann- und
Nikolaus-Service aufgebaut, der Auftritte vermittelt. Nikolaus kann
er nämlich auch. Im Fußball würde man ihn als beidfüßig bezeichne
n.
Aus seinem reichen Erfahrungsschatz gibt er nun handfeste Tipps
weiter. Etwa, bei Firmen-Weihnachtsfeiern unbedingt einen frühen
Zeit-Slot zu wählen. Die Wirkung des Alkohols im Publikum ist dann
für den Weihnachtsmann noch beherrschbar. Achtet man nicht darauf,
kann es passieren wie einst bei Dößereck, der mal quer durch den Raum
mit den Worten «Jetzt kommt die Scheiße auch noch!» empfangen wurde.
«Am Ende gab es aber ein großes Lob vom Chef, wie ich den Herrn
freundlich eingefangen habe», sagt er.
Wenn man ihn fragt, was einen guten Weihnachtsmann ausmacht, sagt er,
dass man mehrere Jobs vereinen müsse: Schauspieler, Psychologe und
auch Kurier-Fahrer, denn man ist viel unterwegs. Und man müsse
Freundlichkeit mit natürlicher Autorität verbinden können. Der
Weihnachtsmann und der Nikolaus bräuchten «Richtlinienkompetenz»,
sagt Dößereck. So wie ein Bundeskanzler.
Eine Männer-Domäne
Manche Kursteilnehmer bringen viel Erfahrung mit. Etwa Peter aus
Bottrop, der schon seit 1991 unterwegs ist und sich
«Revierweihnachtsmann» und «Reviernikolaus» nennt. Ein anderer, Eri
c,
hat den Job «erst zwei-, dreimal» im Schützenverein gemacht. Für
jeden aber erkennbar besitzt der 66-Jährige großes Potenzial. Weißes
Haupthaar und Bart wirken so perfekt, dass man ihn sowohl als
Weihnachtsmann als auch als Käpt'n Iglo besetzen könnte.
Dass die Weihnachtsmann-Branche eher ein Männer-Business ist, ist
offensichtlich. Wobei: Frauen habe es durchaus schon in der Schulung
gegeben, sagt Ober-Weihnachtsmann Dößereck. Das Problem sei aber,
dass sie nicht angefragt würden. «Oder wenn sie angefragt werden,
dann leider immer so in Richtung «sexy Weihnachtsfrau».» Das ist mit
ihm nicht zu machen.
Mit Technik-Tricks zum Erfolg
Die Weihnachtsmann-Bubble ist eine eigene Welt - mit ganz speziellen
Fragen, die man in keinem normalen Job findet. Kursteilnehmer Bastian
will etwa wissen: Stört es die Polizei, wenn man mit Zipfelmütze und
Rauschebart Auto fährt? Ist ja denkbar zwischen zwei Auftritten.
Peter rät prompt zu Gelassenheit. Er habe schon im vollen Ornat an
einer Ampel neben einem Polizeiauto gehalten. «Die machen da nix!»
Überhaupt kann man von Peter viel lernen. Auch, wie man den
Bischofsstab, der zum Nikolaus gehört, an Kindern vorbeischmuggelt.
«Ich habe jetzt einen, den man in der Mitte auseinanderschrauben
kann. So passt er in die Tasche», erklärt er. Vor dem Auftritt dreht
er die Teile einfach wieder zusammen. «Auch wenn ich mich dabei fühle
wie bei der Mafia, beim Aufschrauben eines Zielfernrohrs.»
Ein kleines bisschen Mafia-Wissen ist also doch im Raum.
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