Tod in der Badewanne - Prozess gegen Pflegekraft eingestellt Von Martin Fischer, dpa

Weil sie zu einem Notfall gerufen wird, lässt eine Mitarbeiterin den
Bewohner einer Hamburger Pflegeeinrichtung allein in der Badewanne
sitzen. Er ertrinkt. Jahre später kommt der Fall vor Gericht.

Hamburg (dpa/lno) - Nach dem Tod eines 53-Jährigen in der Badewanne
einer Hamburger Pflegeeinrichtung ist der Strafprozess gegen eine
Pflegerin wegen fahrlässiger Tötung eingestellt worden. Zuvor hatten
sich die Beteiligten darauf verständigt, dass die Angeklagte dem
Bruder des Toten 1.000 Euro zahlt - sozusagen als Schmerzensgeld, wie
die Amtsrichterin ausführte. Auch der Verteidiger stimmte der Zahlung
im Namen seiner Mandantin «aus reinem Erledigungsinteresse» zu.

Der Vorfall hatte sich im Oktober 2021 in einer Wohn- und
Pflegeeinrichtung in der Rosmarinheide im Stadtteil Langenhorn
ereignet: Die Angeklagte hatte den körperlich und geistig schwer
eingeschränkten Mann nach eigenen Angaben gerade gebadet, als sie zu
einem Notfall gerufen wurde: Eine andere Bewohnerin der Einrichtung
hatte einen epileptischen Anfall erlitten. 

Mann ertrank in Wanne, während Pflegekraft Notfall behandelte

«Es ist ein Dilemma gewesen», sagte die Verteidiger der 29-Jährigen,

die bis zu dem Vorfall bereits seit fünf Jahren in der Einrichtung
gearbeitet hatte. Nach eigenen Angaben kannte sie den Mann gut und
hatte ihn viele Male gebadet, ohne dass es dabei zu Schwierigkeiten
gekommen sei. 

Überhaupt habe sich der Mann immer über ein Bad gefreut, sagte sie.
Am Tag des Vorfalls habe er «gejammert». Deshalb habe sie ihm eine
Freude machen wollen. «Ich habe geschaut und gesehen, dass er seit
zwei Wochen nicht mehr gebadet hatte», erinnerte sie sich. 

Als sie ihn schließlich mit einem Badestuhl in die Wanne gesetzt
hatte, sei sie angerufen worden. Der Fahrer, der andere Bewohner der
Einrichtung mit einem Bus zu ihren Arbeitsstellen und zurück bringe,
habe ihr mitgeteilt, dass eine Bewohnerin einen epileptischen Anfall
erlitten habe und er sich nicht zu helfen wisse.

Pflegekraft war die einzige Fachkraft auf sich gestellt

Da es sich bei einem epileptischen Anfall um einen - wie der
Verteidiger ausführte - lebensbedrohlichen Vorfall handelte, habe die
Frau es für vertretbar gehalten, den Mann kurz unbeaufsichtigt zu
lassen, zumal in dem Moment keine andere Pflegekraft verfügbar
gewesen sei.

Normalerweise seien für die fünf Pflegebedürftigen unter den
insgesamt elf Bewohnern der Einrichtung zwei Fachkräfte für die
Betreuung vorgesehen. Am fraglichen Nachmittag sei mit ihr aber nur
noch eine schon pensionierte und nicht in der Pflege ausgebildete
Frau in der Einrichtung tätig gewesen. Auch sie selbst sei an dem Tag
nur kurzfristig für eine andere Kollegin eingesprungen, sagte die
29-Jährige.

Nachdem sie das Badezimmer verlassen hatte, habe sie sich vor der Tür
der Einrichtung noch in dem Bus um die unter starken Krämpfen
leidende Epileptikerin gekümmert. Nach circa fünf Minuten sei sie
dann zurück ins Badezimmer geeilt und habe dort den 53-Jährigen
leblos in der Wanne gefunden, der laut Anklage zwischenzeitlich durch
die Armlehnen des Badestuhls ins Wasser gerutscht war.

Wiederbelebung erweist sich als besonders schwierig

Sie habe den Notruf gewählt und sofort mit Herzdruckmassage und
Mund-zu-Mund-Beatmung Wiederbelebungsversuche unternommen, sagte die
29-Jährige. Die Herzdruckmassage habe sich aber aufgrund einer
Knochendeformation des unter Skoliose leidenden Mannes als schwierig
erwiesen. Außerdem habe seine Zunge die Beatmung blockiert,
schilderte die Frau, wobei sie immer wieder mit den Tränen kämpfte.

Sie habe den Notruf erneut angerufen, um zu erfahren, wie man unter
solchen Umständen eine Wiederbelebung durchführen könne. Auch das
ohne Erfolg: «Als er angefangen hat zu erklären, war der Akku alle»,

sagte die Frau mit Blick auf den Akku des Telefons. Schließlich habe
sie auch aus dem Fenster um Hilfe gerufen - ebenfalls vergebens. Die
dann eintreffenden Rettungssanitäter hätten dem Mann nicht mehr
helfen können. 

Angeklagte nach Vorfall jahrelang in psychischer Behandlung

Ihr Anwalt gab an, dass bei seiner Mandantin nach dem Vorfall eine
posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden sei, wegen
der sie jahrelang teils auch in stationärer Therapie gewesen sei.
Wegen der Erlebnisse könne sie nicht mehr in der Pflege arbeiten. Als
sogenannte Familienassistenz unterstütze sie inzwischen Familien mit
behinderten Kindern.

Um in dem Fall den Schuldvorwurf einer fahrlässigen Tötung
aufrechtzuerhalten, seien weitere Nachermittlungen und die Vernehmung
diverser Zeugen nötig, sagte die Richterin nach einer Unterbrechung
der Verhandlung. Zudem seien Fragen zum Personalschlüssel der
Einrichtung und zur Personalsituation während des Vorfalls zu klären.
Eine Mitarbeiterin der Einrichtung, die als Zeugin hätte zu diesen
Themen befragt werden können, hatte sich auf ihr
Zeugnisverweigerungsrecht berufen. 

Ferner verwies die Richterin auf die gesundheitlichen Folgen für die
Angeklagte und darauf, dass der Vorfall bereits Jahre zurückliege.
Die Einstellung des Verfahrens ist bis zur Zahlung des Geldbetrages
an den Bruder des Opfers, der als Nebenkläger auftrat, vorläufig.

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