Last-Minute-Operation für stabile Beiträge Von Sascha Meyer, dpa
Die Gesundheitskosten steigen, die Krankenkassenbeiträge auch: Diese
Spirale will die Bundesregierung jetzt stoppen, und zwar erst einmal
mit einem akuten Sparpaket. Wie soll das funktionieren?
Berlin (dpa) - Millionen Versicherte und die Wirtschaft sollen jetzt
Gewissheit bekommen, dass die Krankenkassenbeiträge Anfang nächsten
Jahres nicht schon wieder steigen müssen. Bundesgesundheitsministerin
Nina Warken (CDU) bringt dazu heute ein Sparpaket ins Kabinett, das
den Druck für erneute Beitragserhöhungen auflösen soll - quasi in
letzter Minute, bevor eine wichtige Finanzprognose kommt. Ein
zuständiger Schätzerkreis legt ebenfalls eine Berechnung vor, wie
sich Einnahmen und Ausgaben 2026 entwickeln dürften.
Wo ist das Problem?
Erst zu Jahresbeginn hatte es eine Welle von Beitragserhöhungen
gegeben. Und den 58,6 Millionen beitragszahlenden Kassenmitgliedern
drohte über Monate, dass es zum 1. Januar 2026 noch teurer wird. Denn
die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) steuern absehbar auf
neue Löcher zu - trotz Darlehen, die der Bund über seinen Zuschuss
von 14,5 Milliarden Euro hinaus bisher plante. Noch mehr
Haushaltsmittel waren nicht drin. Am Wochenende kündigte Warken
deshalb an, mit schnellen Sparmaßnahmen gegenzusteuern.
Worum geht's im Kabinett?
Konkret will die Ministerin eine ermittelte Lücke von noch zwei
Milliarden Euro für 2026 füllen. Den Großteil soll eine Änderung
einbringen, die den Anstieg der Vergütungen für die Kliniken
begrenzt. Einsparsumme nach Kassenangaben: rund 1,7 Milliarden Euro.
Gespart werden sollen außerdem 100 Millionen Euro bei
Verwaltungsausgaben der Krankenkassen, etwa für Porto und
Werbeaktionen. Und noch einmal 100 Millionen Euro durch eine gekappte
Einzahlung aus Kassenmitteln in einen «Innovationsfonds» für die
Versorgungsforschung.
Was genau macht dann der Schätzerkreis?
Das Gremium mit Fachleuten des Ministeriums, des Bundesamts für
Soziale Sicherung und des GKV-Spitzenverbands tagt am Mittwoch und
präsentiert seine jährliche Prognose zur Finanzentwicklung, diesmal
für 2026. Dabei können auch frische Gesetzespläne berücksichtigt
werden, solange es nicht nur reine Absichtserklärungen sind. Erst
vergangene Woche billigte das Kabinett Änderungen der
Krankenhausreform, die den Kassen Mehrausgaben von 2,5 Milliarden
Euro ersparen sollen. Nun kommt also noch ein Kabinettsbeschluss.
Wie geht es dann mit den Beiträgen weiter?
Der Schätzerkreis ermittelt aus den Einnahmen und Ausgaben, ob - rein
rechnerisch - Bedarf für Beitragserhöhungen besteht. Auf dieser
Grundlage legt das Ministerium bis 1. November einen
durchschnittlichen Zusatzbeitrag für 2026 fest. Der gilt aber nur als
eine amtliche Orientierungsmarke. Die Kassen entscheiden dann je nach
ihrer Finanzlage selbst, ob sie an den konkreten Zusatzbeiträgen für
ihre Versicherten drehen. Der gesamte Beitrag, den sich Arbeitgeber
und Arbeitnehmer teilen, umfasst daneben den allgemeinen Satz von
einheitlich 14,6 Prozent des Bruttolohns. Ihn legt die Politik direkt
fest.
Wie kritisch ist die Finanzlage?
Für dieses Jahr hatte das Ministerium einen durchschnittlichen
Zusatzbeitrag von 2,5 Prozent bekanntgegeben. Das war schon ein
großer Sprung von 0,8 Punkten. Tatsächlich liegen die Zusatzbeiträge
inzwischen aber im Schnitt bei 2,94 Prozent, wie es vom
GKV-Spitzenverband hieß. Hintergrund sind stark steigende Ausgaben.
Die gingen im ersten Halbjahr 2025 um acht Prozent auf 154 Milliarden
Euro hoch, die Einnahmen wuchsen «nur» um 5,5 Prozent. Nach den
jüngsten Beitragsanhebungen verbuchten die Kassen bis Ende Juni ein
Plus. Sie müssen aber parallel auch Reserven auf Mindesthöhen
auffüllen.
Was ist mit den Pflegebeiträgen?
Warken kündigte an, auch bei der Pflegeversicherung eine Lücke von
knapp zwei Milliarden Euro für 2026 zu schließen, um die Beiträge
stabil zu halten. Anders als die Krankenkassen-Zusatzbeiträge legt
die Politik die Pflegebeiträge direkt fest - und eine Erhöhung zum 1.
Januar hätte da auch schon auf dem Weg sein müssen, wie Warken mit
Blick auf Fristen erläuterte. Erst Anfang 2025 war eine Anhebung um
0,2 Punkte gekommen. Bei einem Kind liegt der Beitrag nun bei 3,6
Prozent des Bruttolohns, für Menschen ohne Kinder bei 4,2 Prozent.
Wie lange halten die Lösungen?
Klar ist: Bei der Operation geht es jetzt um Sofortmaßnahmen. Daneben
haben zwei Kommissionen begonnen, über Vorschläge für eine
grundlegende Reform zu beraten. Eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur
Pflege stellte gerade einen ersten Zwischenstand vor - die
Beratungspalette reicht von Begrenzungen der Eigenanteile bis zur
Überprüfung des Pflegegrade-Systems. Eine Kommission zur
Krankenversicherung soll bis März erste Vorschläge zur Stabilisierung
der Beitragssätze ab 2027 machen. Bis Ende 2026 sollen weitere Ideen
folgen.
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