Beleidigungen und Geschrei: Corona-Debatte im Landtag

Kinder durften nicht in die Schulen gehen, Pflegeheim-Bewohner nicht
besucht werden, für mache galt eine Impfpflicht. Die Corona-Pandemie
kann bis heute die Emotionen hochkochen lassen, wie eine
Landtagsdebatte zeigt.

Magdeburg (dpa/sa) - Im Landtag von Sachsen-Anhalt ist eine Debatte
über die Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen hochemotional und mit
persönlichen Beleidigungen geführt worden. Ein Antrag der
AfD-Fraktion, die jüngst eingerichtete Regierungskommission zu
erweitern und komplett öffentlich arbeiten zu lassen, wurde mit den
Stimmen aller anderen fünf Fraktionen abgelehnt. AfD-Fraktionschef
Ulrich Siegmund hatte erklärt: «Wir brauchen einen
Untersuchungsausschuss mindestens. Wir müssen endlich diejenigen zur
Verantwortung ziehen, die diese Verbrechen zu verantworten haben»,
sagte Siegmund in seiner Rede am Donnerstag mit Blick auf die
damaligen Eindämmungsmaßnahmen. 

Im Eiltempo zitierte Siegmund zur Untermauerung seiner Position Sätze
aus den kürzlich veröffentlichten, geschwärzten Protokollen des
Krisenstabs des Robert Koch-Instituts (RKI) aus der Anfangszeit der
Pandemie. Sie hatten den Ruf nach einer Aufarbeitung der staatlichen
Politik zur Eindämmung der Corona-Pandemie mit Zehntausenden Toten in
Deutschland lauter werden lassen. Siegmund sagte: «Halten Sie sich
fest. Wir haben die ausgewertet und es ist wirklich der Wahnsinn, was
da drinnen steht. Es ist der Beweis, dass es nicht wissenschaftlich,
sondern politisch war.» 

Im Verlauf der Rede gab es diverse Zwischenrufe, auf die Siegmund
teils antwortete. Die Stimmung spitzte sich so zu, dass die
stellvertretende Landtagspräsidentin Anne-Marie Keding
Unterstellungen vom Rednerpult und aus den Abgeordnetenreihen, keinen
Anstand zu haben beziehungsweise zu lügen, zurückwies. «Es kann sich

sehr gut hier hochspielen. Es dient aber nicht der Aufklärung, die
wir hier gerade als Thema verhandeln. Von daher bitte ich alle, sich
deutlich zu mäßigen und zu einer Auseinandersetzung zurückzukommen,
die an der Wahrheit interessiert ist und auch an dem, was man an dem
ganzen Vorgang lernen kann, und sich nicht gegenseitig zu beleidigen
oder sich niederzubrüllen», so Keding. 

Staatsminister Rainer Robra (CDU) entgegnete Siegmund: «Ihrem
TikTok-Jargon - um Sie zu zitieren: «Es war der Wahnsinn» - habe ich
nichts Entsprechendes entgegenzusetzen und will das auch gar nicht.»
Robra betonte, der Blick richte sich auf Sachsen-Anhalt. «Es wird
evaluiert, was wir besser oder auch schlechter gemacht haben, als
andere Bundesländer im Krankenhaus- und Pflegebereich, bei den Kitas
und Schulen, ganz generell in der Gesellschaft, aber auch welche
Lehren müssen wir für die Zukunft auch im Rahmen der Daseinsvorsorge
daraus ziehen, um besser auf solche Lagen eingestellt zu sein als im
Frühjahr 2020.» 

In der Regierungskommission arbeiteten 16 ehrenamtliche Experten, die
das Land gut kennen und eigene Erfahrungen beisteuerten. «Die
Diffamierung einzelner Personen, die Sie sich hier eben geleistet
haben, die weise ich ausdrücklich zurück», sagte Robra zu Siegmund.
Die Kommission arbeite unter der Leitung des Verfassungsrechtlers
Winfried Kluth selbstorganisiert und in jeder Hinsicht unabhängig,
betonte der Staatsminister. Sie könne weitere Experten dazuholen.
Gesellschaftliche Spaltungen und Kontroversen kämen nach Aussagen des
Kommissionsvorsitzenden auch zur Sprache.

Mehrere Abgeordnete warfen der AfD vor, mit dem aktuellen Wissen auf
die damalige Zeit zu schauen und den damaligen Wissensstand nicht
ausreichend zu berücksichtigen. «Sie kommen mit dem Wissen der
Zukunft und urteilen über die Vergangenheit», sagte etwa der
CDU-Abgeordnete Stefan Ruland. Falko Grube von der SPD argumentierte,
die AfD suche mit der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss
schlichtweg eine Bühne.