Schuleingangsuntersuchungen zeigen Sprachprobleme vieler Kinder Von Helen Hoffmann, dpa

Vor der Einschulung wird die Sprachentwicklung der künftigen
Erstklässlerinnen und Erstklässler ärztlich untersucht. Ein Vergleich

der Ergebnisse aus verschiedenen Jahren zeigt Handlungsbedarf.

Hannover (dpa/lni) - Der Anteil der Vorschulkinder mit
Sprachproblemen und anderen Auffälligkeiten ist in Niedersachsen
gestiegen. Das zeigt ein Bericht des Landesgesundheitsamtes, wie
Niedersachsens Ministerium für Soziales und Gesundheit am Freitag
mitteilte. Demnach zeigten besonders Kinder aus sogenannten
bildungsfernen Familien Auffälligkeiten. Dazu gehören Kinder, deren
Eltern keine Ausbildung haben oder bei denen nur ein Elternteil eine
Lehre oder Ausbildung abgeschlossen hat. In dem Bericht wurden Daten
aus den Jahren vor der Corona-Pandemie, während der Pandemie und nach
der Pandemie verglichen. 

Probleme mit der Sprache

Die größten Mängel gibt es demnach im Bereich der Sprachentwicklung.

Auf Grundlage der Daten der Jahre 2015 bis 2019 - die Zeit vor der
Corona-Pandemie - errechneten die Autorinnen der Studie einen Trend.
Demnach wäre für den Einschulungsjahrgang 2022 statistisch zu
erwarten gewesen, dass 23,7 Prozent aller untersuchten Kinder
Auffälligkeiten zeigen. Tatsächlich wurden aber bei 25,4 Prozent der
Kinder Defizite festgestellt, wie das Ministerium schrieb. 

Bei Kindern aus bildungsfernen Familien - also deren Eltern
niedrigere Berufsabschlüsse haben - war der Unterschied noch
deutlicher. Dem errechneten Trend zufolge hätten 34,6 Prozent dieser
Kinder Defizite in der Sprachentwicklung. In Wirklichkeit war der
Anteil mit 43,2 Prozent deutlich größer. Der Wert sei höher als der
des Einschulungsjahrgangs 2021, obwohl dieser stärker von
Corona-Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen und Kita-Schließungen
betroffen war, hieß es. 

Die Autorinnen des Berichts verwiesen darauf, dass Kinder aus
bildungsfernen Familien sowie Jungen und Mädchen mit
Migrationshintergrund Entwicklungsdefizite nach der Pandemie nicht
ausreichend aufholen konnten. Die Bildungsschere klaffe weit
auseinander.

Familiärer Hintergrund hat großen Einfluss 

«Der Bericht bestätigt einmal mehr, dass die Entwicklung von Kindern
aus verschiedenen Schichten sehr ungleich verteilt ist», sagte
Sozialminister Andreas Philippi (SPD) laut Mitteilung. «Der
sozial-ökonomische Hintergrund entscheidet in Deutschland noch immer
viel zu stark über die Entwicklungschancen von Kindern und damit auch
über erfolgreiche Teilhabe an Bildung und Gesellschaft.» Es sei
wichtig, früh vorsorglich zu handeln. 

Schuleingangsuntersuchungen sind wichtig

Die ärztlichen Untersuchungen vor der Einschulung haben dem
Präsidenten des Landesgesundheitsamtes, Fabian Feil, zufolge einen
hohen Wert. «Nur wenn Entwicklungsdefizite frühzeitig erkannt werden,
die möglicherweise bis zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht aufgefallen
sind, kann gemeinsam mit den Eltern überlegt werden, welche
Unterstützungs- und Förderangebote in Anspruch genommen werden
können», sagte Feil. «Ziel ist es, allen Kindern in Niedersachsen
einen optimalen Start in die Schulzeit zu ermöglichen.»

Altersgerechter Medienkonsum nötig

Sozialminister Philippi verwies darauf, dass der vergleichende
Bericht wichtige Befunde über die motorischen, mentalen, kognitiven,
sprachlichen und sozialen Grundlagen künftiger Erstklässlerinnen und
Erstklässler liefere. Die Analyse zeige, welche Maßnahmen konkret
nötig wären. «Insbesondere die Sprachkompetenz muss noch stärker
gefördert werden. Da sehen wir durchaus auch die Elternhäuser noch
stärker gefordert.» Es gehe dabei auch um altersgerechten
Medienkonsum.

Inhalt einer Schuleingangsuntersuchung

In Niedersachsen ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass jedes Kind
vor der Einschulung eine Schuleingangsuntersuchung absolviert. Dabei
werden unter anderem das Gewicht festgestellt, die Sprachentwicklung,
das Seh- und Hörvermögen und die motorischen Fähigkeiten der Jungen
und Mädchen getestet. 

Insgesamt wurden Datensätze von knapp 224 000 Kindern untersucht. «Es
wurden nur die Daten von Kommunen verwendet, die alle
Schulanfängerinnen und Schulanfänger vollständig untersucht haben,
was auf 15 Kommunen zutrifft», hieß es in der Mitteilung des
Ministeriums. Der Bericht «Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchung:
Vergleich von Daten ausgewählter Kommunen vor, während und nach der
Corona-Pandemie» kann kostenlos heruntergeladen werden.