Grenzwert für Cannabis am Steuer in Sicht Von Sascha Meyer, dpa

Eigentlich ist den meisten klar, dass Drogen den Straßenverkehr
unsicherer machen. Nach einem Bier darf man aber oft noch fahren. So
etwas wie eine Promille-Grenze soll nun auch für Cannabis kommen.

Berlin (dpa) - Kiffen wird für Erwachsene am Ostermontag mit vielen
Vorgaben legal. Und was heißt das für Cannabis am Steuer? Vorerst
gilt die strikte Linie weiter, dass schon beim bloßen Nachweis des
berauschenden Stoffes Geldbußen oder Punkte in Flensburg drohen.
Jetzt kommt aber - wie bei der 0,5-Promille-Marke für Alkohol - ein
Grenzwert in Sicht, wie viel des Cannabis-Wirkstoffes THC noch
tolerierbar sein soll. Eine Expertenkommission legte am Donnerstag
einen Bericht vor und empfiehlt einen gesetzlichen Grenzwert von 3,5
Nanogramm je Milliliter Blutserum. Für eine Umsetzung ist jetzt der
Bundestag am Zug. Aber es gibt auch schon Kritik.

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat hob zum Start der
Cannabis-Freigabe extra noch einmal hervor: «Auch ab dem 1. April
gilt weiterhin: Wer kifft, fährt nicht.» Begleitend zum Gesetz für
die teilweise Legalisierung der Droge beriet aber eine
Expertenkommission des Bundesverkehrsministeriums, wie ein
verantwortbarer Grenzwert für den Wirkstoff Tetrahydrocannabinol
(THC) gefasst werden könnte. Heraus kam eine Empfehlung, die auch ein
verschärftes Augenmerk auf riskanten «Mischkonsum» von Cannabis und
Alkohol legt.

Die Ausgangslage: Ordnungswidrig handelt aktuell, wer «unter Wirkung»
berauschender Mittel Auto fährt, zu denen Cannabis gehört. Und die
Wirkung liegt schon vor, wenn die Substanz überhaupt nachgewiesen
wird. In der Rechtsprechung hat sich dafür ein Wert von 1 Nanogramm
etabliert. Dann drohen laut Verkehrssicherheitsrat mindestens 500
Euro Bußgeld, zwei Punkte und ein Monat Fahrverbot. Beim
Verkehrsgerichtstag sprachen sich Experten 2022 für eine
«angemessene» Heraufsetzung eines Grenzwertes aus. Denn die 1
Nanogramm seien so niedrig, dass auch viele sanktioniert werden, bei
denen sich eine mögliche Minderung der Fahrsicherheit nicht tragfähig
begründen lasse.

Der Grenzwert: Die Arbeitsgruppe mit Experten aus Medizin, Recht und
Verkehr empfiehlt nun eine Marke von 3,5 Nanogramm, wie das
Ministerium mitteilte. Bei diesem Wert sei «eine
verkehrssicherheitsrelevante Wirkung beim Führen eines
Kraftfahrzeuges nicht fernliegend». Dies sei mit einer
Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille vergleichbar und liege
deutlich unter der Schwelle von 7 Nanogramm, ab der ein Unfallrisiko
steige. In die 3,5 Nanogramm eingerechnet ist demnach auch schon ein
«Sicherheitszuschlag» von 1 Nanogramm wegen möglicher Messfehler. 


Mischkonsum: Eine strengere Regelung empfehlen die Experten dafür,
wenn Kiffen und Alkohol am Steuer zusammenkommen. Wegen dieser
besonderen Gefährdung sollte bei Cannabiskonsum ein absolutes
Alkoholverbot am Steuer gelten - und zwar entsprechend des
bestehenden Alkoholverbots für Fahrerinnen und Fahrer in der
Probezeit nach dem Führerschein-Erwerb und für unter 21-Jährige.
Ordnungswidrig handelt dann, wer als Cannabiskonsument am Steuer
sitzt und Alkohol trinkt oder die Fahrt antritt, obwohl er unter
Wirkung alkoholischer Getränke steht. 

Studien zur Wirkung: Dass Rauschmittel Folgen für die Fahrtüchtigkeit
haben können, ist unbestritten. Bei Cannabis ist die Wirkung aber
nicht dieselbe wie bei Alkohol. Die Experten führen in dem Bericht
auch verschiedene Studien dazu an. So hätten sich im Fahrsimulator
signifikante Cannabis-Beeinträchtigungen beim Spurhalten gezeigt.
Sicherheitsrelevante Wirkungen treten demnach am stärksten 20 bis 30
Minuten nach dem Rauchen auf und klingen nach drei bis vier Stunden
wieder ab. Dabei falle bei Konsumenten, die höchstens einmal in der
Woche kiffen, die THC-Konzentration im Blut in einigen Stunden ab.
Bei häufigem Konsum könne sich THC im Körper anreichern und noch Tage

bis Wochen im Blut nachweisbar sein. 

Tests: Die Kommission schlägt zudem vor, bei Kontrollen Speicheltests
einzusetzen. So bekäme die Polizei ein Messinstrument an die Hand,
mit dem sie akuten Konsum und damit ein mögliches Sicherheitsrisiko
identifizieren könne. Dies diene auch der Verhältnismäßigkeit und
senke Kosten und Aufwand. «Wenn ein Fahrer Anzeichen von
Ausfallerscheinungen zeigt, ist in jedem Fall, also auch bei
negativem Speicheltest, eine Blutprobe erforderlich.»

Die Empfehlung stieß umgehend auf Kritik. In der Arbeitsgruppe selbst
gab ein Vertreter der Innenministerkonferenz für die Polizeien von
Bund und Ländern zu Protokoll, dass er einen höheren Grenzwert als 1
Nanogramm ablehnt. Der CDU-Verkehrspolitiker Florian Müller monierte,
die empfohlene Verdreifachung des Grenzwertes sei der Beleg, «dass
der Bundesregierung die Cannabis-Legalisierung wichtiger ist als die
Verkehrssicherheit».

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte, dass zumindest in diesem
Punkt in Sachen Cannabis mehr Rechtssicherheit einziehen solle. Nötig
wäre aber ein zweiter, niedrigerer Wert, der insbesondere für
Fahranfänger oder für Fahrer von Personentransporten gelten sollte.
Die Polizei brauche für wirksame Kontrollen auch moderne Nachweis-
und Analyseinstrumente. «Daran mangelt es. Ebenso an der nötigen
Fortbildung», sagte GdP-Vize Alexander Poitz. Zudem müsste der
Kontrolldruck erhöht werden. Aufgrund der Personallücken bei der
Verkehrsüberwachung sei das jedoch eine Herausforderung.

Wie schnell aus den Empfehlungen ein Gesetz wird, muss sich nun
zeigen. FDP-Fraktionsvize Carina Konrad sagte, die unabhängige
Kommission habe einen fundierten Vorschlag frei von politischer
Einflussnahme gemacht. «Diesen sollten wir so umsetzen, um weiterhin
Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten.» Die
FDP-Fachpolitikerin Kristine Lütke sagte, der Bundestag sollte auf
der Grundlage dieses «ausgewogenen Vorschlags» nun zügig ein
Gesetzgebungsverfahren für den neuen Grenzwert einleiten.