Adipositas-Lotsin will übergewichtigen Menschen helfen Von Anja Sokolow, dpa
Sie weiß, wie sich starkes Übergewicht anfühlt und hat deshalb einen
leichteren Zugang zu Patienten - so die Hoffnung von Ärzten: Gabriele
Haase ist Adipositas-Lotsin und besucht Menschen am Krankenbett, die
bereits mit Folgeerkrankungen kämpfen.
Berlin (dpa/bb) - Sie hat 100 Kilogramm verloren und will nun anderen
Menschen beim Abnehmen helfen: Gabriele Haase ist Adipositas-Lotsin
bei Vivantes: «Ich kann die Menschen beraten, sich im Dschungel der
Bürokratie und Therapieoptionen zurechtzufinden», sagt die
58-Jährige. «Viele Menschen liegen mit Adipositas-Folgeerkrankungen
wie etwa Herz- oder Gelenkerkrankungen in der Klinik und oft ist
ihnen das gar nicht bewusst», sagt die Lotsin. Sie kontaktiert
Patienten, die als adipös gelten und versucht mit ihnen ins Gespräch
zu kommen.
In Krankenhäusern gibt es bereits verschiedene Arten von Lotsen -
Babylotsen, Kardiolotsen oder Onkolotsen - Mittler zwischen Ärzten
und Patienten. Seit Mai ist Haase im Vivantes-Klinikum
Berlin-Friedrichshain unterwegs und nun auch im Medizinischen
Versorgungszentrum Wedding. Jürgen Ordemann, Chefarzt am Zentrum für
Adipositas und metabolische Chirurgie am Vivantes Klinikum Spandau,
hat sie ins Boot geholt. «Sie macht Mut und sie ist Vorbild. Sie kann
den Patientinnen und Patienten zeigen, dass es immer Möglichkeiten
gibt, aus der Erkrankung herauszukommen», sagt der Arzt.
In Deutschland gilt etwa ein Viertel der Erwachsenen als stark
übergewichtig. Die Betroffenen erfahren häufig zu spät und nicht
ausreichend Hilfe, kritisieren Experten und Selbsthilfe-Gruppen. Ob
beispielsweise Kosten für eine Ernährungsberatung oder eine
Bewegungstherapie übernommen werden, hänge von der individuellen
Zustimmung der Krankenkasse ab, betont etwa der Politische
Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, Oliver
Huizinga. Niedrigschwellige Programme zur Adipositastherapie seien
vielerorts kaum verfügbar.
Bei den Gesprächen mit der Lotsin gehe es nicht um eine medizinische
Beratung, sondern vielmehr um Hilfe zur Selbsthilfe, sagt Ordemann.
Durch ihre Vorgeschichte habe Gabriele Haase einen guten Zugang zu
Patienten. «Sie ist selbst eine operierte Patientin, die gesünder,
mobiler und tatkräftiger geworden ist und das Leben wieder in die
eigene Hand nehmen und gestalten kann», betont der Arzt. «Durch ihr
Übergewicht stand sie schon am Ende ihres Lebens und hat nun ein
neues Leben», sagt der Professor, der Haase 2014 operiert hat.
Vor der Magenbypass-Operation wog sie 155 Kilo bei einer Körpergröße
von 1,65 Meter. «Ich hatte Bluthochdruck, brauchte einen Rollator und
habe zwei Knieprothesen», erzählt die Frührentnerin. Ihr Magen wurde
verkleinert und weiter unten in den Darm geleitet, damit dieser die
Nahrung nur noch teilweise verwerten kann. Den Rollator benötigt sie
nun nicht mehr, die Prothesen sind geblieben.
Wie erfolgreich ihre Arbeit ist, lasse sich nicht beziffern, sagt
Haase. «Aber mein Terminkalender ist voll.» Allerdings wolle auch
nicht jeder Patient über sein Übergewicht sprechen. «Manche sind
total ablehnend», sagt die Lotsin. Andere Patienten wiederum seien
sehr offen für ihr Angebot. «Als Betroffene komme ich mit den
Patienten leichter ins Gespräch», sagt Haase. Vorher-Nachher-Fotos
von sich selbst seien oft der Türöffner. Sie kann nicht nur aus
eigener Erfahrung berichten. Seit Jahren leitet Gabriele Haase auch
Selbsthilfegruppen für Menschen, die eine Magen-OP hinter sich haben.
«Wenn Menschen mit Adipositas sensibel angesprochen werden, kann dies
Betroffene darin unterstützen, Hilfsangebote zur Gewichtsreduktion zu
finden, die zur individuellen Situation passen», sagt auch Oliver
Huizinga.
Aus Sicht Ordemanns ist die Arbeit der Lotsin schon jetzt ein Erfolg.
Viele Rückmeldungen von Patienten seien positiv. Er wünscht sich fü
r
die Zukunft ein ganzes Netzwerk an Adipositas-Lotsen in allen Häusern
des landeseigenen Konzerns.
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