Wie Ahmad Al Sheikh Hussein Kames in einem Bus zum Helden wurde Von Ann-Marie Utz, dpa

Ahmad Al Sheikh Hussein Kames bekommt die Rettungsmedaille des Landes
Nordrhein-Westfalen - weil er vor drei Jahren mutig dazwischen ging,
als ein Mann in einem Bus mit einem Messer attackiert wurde. Mit dem
Opfer verbindet ihn heute noch eine besondere Beziehung.

Bonn (dpa/lnw) - Ahmad Al Sheikh Hussein Kames steht an der
Bushaltestelle der Uniklinik Bonn. Es ist ein Mittwochnachmittag im
Jahr 2020 und der angehende Anästhesie-Assistent hat gerade seine
Schicht beendet. Er ahnt zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass das,
was gleich geschehen wird, ihm drei Jahre später eine
Rettungsmedaille einbringen wird. Er will einfach nur nach Hause.

Bis heute kann Kames die Situation detailgetreu nacherzählen. Nachdem
er gedankenversunken den Bus betreten hatte, bemerkte er plötzlich
Schreie. Panik. Menschen, die im Bus rannten. Der Grund: Ein Mann
hatte ein Messer gezückt und auf einen Fahrgast eingestochen - immer
wieder. Was tun? Fliehen oder handeln?

Kames beantwortete diese Frage mit: Handeln. Deswegen wurde er am
Freitag von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in Köln mit der

Rettungsmedaille des Landes Nordrhein-Westfalen geehrt. Eine
Auszeichnung, die Bürgerinnen und Bürgern zuteil wird, die unter
Einsatz ihres eigenen Lebens andere Menschen retten. Mit ihm wurden
neun weitere Bürgerinnen und Bürger ausgezeichnet. Aber die
Geschichte von Kames ist eine, die besonders den Atem stocken lässt.

«Jede Sekunde zählt in so einer Situation», sagt Kames rückblickend

der Deutschen Presse-Agentur. Er packte damals den Angreifer von
hinten vom Opfer weg, presste ihn an eine Haltestange im Bus und
fixierte seine Arme. Keiner kam ihm zur Hilfe. «Die eigene Angst kann
man verwenden, um durch das Adrenalin einen kühlen Kopf zu bewahren»,
sagt er nüchtern im Gespräch. «Ich wusste, was ich tue.»

Während seiner Rettungsaktion konnte er sich auf seine Erfahrung
verlassen. Bevor Kames 2016 aus Syrien nach Deutschland floh, hatte
er in seiner Heimatstadt Aleppo während seines Medizinstudiums als
Notarzt ausgeholfen, wie er berichtet. Die dortige Kriegssituation
habe ihn geprägt.

Als die Polizei am Bus eintraf und den Messerstecher abführte, ging
Kames direkt zum damals 22-jährigen Opfer und leistete Erste Hilfe.
«Er war die ganze Zeit wach, das hat mir erst mal Hoffnung gegeben»,
sagt der Retter lächelnd. Kames selbst blieb unverletzt.

2021 wurde Kames bereits mit dem XY-Preis ausgezeichnet, der
ebenfalls Menschen ehrt, die sich auf besonders couragierte Weise für
ihre Mitmenschen eingesetzt haben. Er bekam viel mediale
Aufmerksamkeit. Dennoch erzählt der heute 31-Jährige noch fast
schüchtern von seiner Rettungsaktion. Er will sich nicht in den
Vordergrund stellen. «Das war nur menschlich», sagt er. Sein Glaube
habe ihm Kraft gegeben. «Im Islam heißt es, wenn man eine Person
rettet, ist das so, als ob man die ganze Welt gerettet hätte. Das
fühlt sich gut an.»

Mittlerweile hat er seine Ausbildung abgeschlossen und lebt in der
Nähe der Klinik. Zwischen Bereitschaftsdienst und Nachtschicht geht
er viel Joggen - seit dem Angriff aber auch mal ins Fitnessstudio.
Das damalige Opfer hat überlebt und ist mittlerweile sein bester
Freund geworden, sie sehen sich regelmäßig. «Dafür bin sehr dankbar
»,
sagt Kames.