Laute Rufe nach mehr Lohn für Frauen - Heil kündigt Gesetze an Von Jan Christoph Freybott, Basil Wegener und Friederike Marx, dpa

Frauen bleiben in deutschen Vorständen eine Rarität - und verdienen
oft weniger als Männer. Die Gewerkschaften erhöhen den Druck für
Veränderungen. Der Arbeitsminister verspricht entschlossenes Handeln.

Berlin (dpa) - Noch immer werden Frauen in Deutschland im Schnitt
schlechter bezahlt als Männer - selbst für gleiche Arbeit. Zum «Equal

Pay Day», der auf die Lohnlücke zwischen Mann und Frau hinweist,
forderten die Gewerkschaften vehement, die Kluft bei der Bezahlung
mit mehr Tempo als bisher zu schließen. Bundesarbeitsminister
Hubertus Heil (SPD) suchte den Schulterschluss mit dem Deutschen
Gewerkschaftsbund - und kündigte gesetzliche Regelungen an.

Frauen verdienten hierzulande nach Angaben des Statistischen
Bundesamtes 2022 im Schnitt 18 Prozent weniger pro Stunde als Männer
- auch weil Frauen oft in schlechter bezahlten Berufen und in
Teilzeit arbeiten. Bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und
Erwerbsbiografie verdienten Arbeitnehmerinnen im Mittel pro Stunde 7
Prozent weniger als Männer. DGB-Chefin Yasmin Fahimi pochte auf
Veränderung. «Wir brauchen jetzt Entscheidungen der Politik», sagte
sie bei einer DGB-Aktion am Brandenburger Tor in Berlin. Neben ihr
reihte sich der Arbeitsminister ein. Heil sagte: «Es ist beschämend,

dass wir immer noch hier stehen müssen.»

Schlecht bezahlte «Frauenberufe»:

Fahimi wies auf das langsame Schrumpfen der Entgeltlücke zwischen
Mann und Frau hin - seit dem Start der offiziellen Aufzeichnung im
Jahr 2006 laut Statistischem Bundesamt sank sie nur um fünf
Prozentpunkte. «Wenn das so weiter geht, dann brauchen wir noch 61
Jahre, bis wir endlich zur Entgeltgleichheit gefunden haben», sagte
die DGB-Chefin. Das sei nicht akzeptabel.

Heil sagte, etwa bei Erziehung und Pflege, bei Floristinnen, im
Friseurbereich oder der Gastronomie seien besonders oft Frauen zu
niedrigen Löhnen beschäftigt. Dies müsse anders werden. «Es ist nic
ht
nur ein Gebot der Gerechtigkeit», so der Minister. In Zeiten von
Fachkräftesicherung gebiete dies auch die ökonomische Vernunft.

Ausgerechnet in Alten- und Krankenpflege, in Kitas und Sozialarbeit
klaffen laut einer neuen Erhebung des arbeitgebernahen Instituts der
Deutschen Wirtschaft (IW) die größten Fachkräftelücken - Berufe, in

denen vor allem Frauen arbeiten. Fahimi sagte, schlechte
Arbeitsbedingungen sorgten dafür, dass Frauen ihre Arbeitszeit oft
noch reduzieren.

Zwei Gesetze sollen helfen:

Konkret forderte Fahimi, das «verunglückte Entgelttransparenzgesetz»

zu verbessern. Mit dem Gesetz können Beschäftigte Auskunft über den
Verdienst von Kolleginnen und Kollegen mit vergleichbaren Aufgaben
fordern. Jedoch gilt der Anspruch nur in Betrieben mit mehr als 200
Beschäftigten. Zudem forderte Fahimi ein Verbandsklagerecht, mit dem
Gewerkschaften Arbeitnehmerinnen unterstützen könnten, die ihre
Rechte aus dem Gesetz einklagen wollen. Heil bekräftigte, seine
Regierung werde das Entgelttransparenzgesetz unter Federführung von
Familienministerin Lisa Paus (Grüne) verbessern. Betroffene sollten
sich dann vor Gericht von Dritten vertreten lassen können.

Doch die Position von Frauen im Job muss nach Heils Vorstellungen auf
verschiedene Weise gestärkt werden. So müsse die Kinderbetreuung
weiter ausgebaut werden. Und: «Es sind vor allem die Branchen, in
denen Frauen arbeiten, in denen die Tarifbindung zu dünn ist», sagte
er. «Deshalb werde ich noch in diesem Jahr ein Gesetz zur Stärkung
der Tarifbindung vorlegen», bekräftigte Heil. Auch auf Bundesebene
sollten öffentliche Aufträge nur noch an tarifgebundene Unternehmen
gehen.

Männerdomäne Vorstand:

Die Benachteiligung von Frauen im Job hat viele Facetten. Auf der
Karriereleiter stoßen sie vor allem bei größeren Unternehmen auf
Widerstände. Das zeigt eine neue Erhebung der Auskunftei Schufa.
Demnach sind knapp 31 Prozent aller Gewerbetreibenden und
freiberuflich tätigen Personen weiblich. Dagegen sitzt nur in rund 20
Prozent der untersuchten Personen- und Kapitalgesellschaften
mindestens eine Managerin in der Führungsetage. «Bei dem jetzigen
Tempo müssten wir bis 2070 warten, bis in der Hälfte aller deutschen
Unternehmen eine Frau in der ersten Führungsebene sitzt», sagte
Schufa-Chefin Tanja Birkholz.

In kleineren Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten ist nur mehr
als jede vierte Führungskraft weiblich. Das zeigen Daten des
Informationsdienstleister Crif. Bei 101 bis 500 Beschäftigten sinkt
die Quote auf 12,3 Prozent. Bei großen Konzernen sieht es demnach
wieder etwas besser aus.

Im Rentenalter verschärfen sich die Einkommensunterschiede zwischen
Mann und Frau noch. Mit Jahreseinkünften von 17 814 Euro brutto lagen
Frauen im Alter ab 65 Jahren 2021 deutlich hinter den gleichaltrigen
Männern, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Diese kamen auf 25
407 Euro. Das Einkommensgefälle betrug damit 29,9 Prozent. Wegen der
geringeren Einkünfte sind Frauen im Alter eher armutsgefährdet und
häufiger durch Wohnkosten überlastet als Männer.

Bevölkerung in der Frage gespalten:

In der Bevölkerung wird das Thema Benachteiligung von Frauen
unterschiedlich bewertet. Die Hälfte der Deutschen hält sie einer
Umfrage zufolge für ein großes Problem. Fast genauso viele sehen das
nicht so. Wie eine repräsentative Befragung für die CDU-nahe
Konrad-Adenauer-Stiftung ergab, zeigen sich je nach Alter der
Teilnehmerinnen und Teilnehmer deutliche Unterschiede.

Für politische Maßnahmen zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit

gibt es demnach eine knappe Mehrheit. So würden es 51 Prozent
befürworten, wenn in großen Unternehmen Aufsichtsratsposten zur
Hälfte mit Männern und Frauen besetzt werden müssten. Ein Viertel sei

dagegen, etwa genauso viele unentschieden.