Trotz schwerer Zeiten: US-Astronaut und Russen ins All geflogen Von Ulf Mauder und Christina Horsten, dpa

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine vor fast sieben Monaten
stand auch die Zusammenarbeit im Weltraum auf der Kippe. In Zeiten
schwerster Spannungen fliegen nun erstmals wieder zwei Russen und ein
Amerikaner zusammen zur Internationalen Raumstation ISS.

Moskau (dpa) - Mit einer Sojus-Trägerrakete sind erstmals wieder ein
US-Astronaut und zwei Kosmonauten in Zeiten schwerer politischer
Spannungen ihrer Länder gemeinsam ins All geflogen. An Bord einer
Sojus-Raumkapsel hoben die Kosmonauten Sergej Prokopjew und Dmitri
Petelin sowie der Nasa-Astronaut Frank Rubio um 15.55 Uhr MESZ vom
russischen Weltraumbahnhof Baikonur in der Steppe der Republik
Kasachstan in Zentralasien ab.

Den Start zur Internationalen Raumstation ISS zeigte die russische
Raumfahrtbehörde Roskosmos in einer Live-Übertragung. Gut drei
Stunden später um 19.11 Uhr MESZ dockte das Raumschiff nach
russischen Angaben an dem Außenposten der Menschheit in 400 Kilometer
Höhe an. Dafür sei die Crew auf Handsteuerung übergegangen.

Bei der Nasa war von einem «guten Start in den Sonnenuntergang» die
Rede. Ortszeit in Baikonur, wo auch eine US-Delegation die Mission
verfolgte, war 18.55 Uhr. «Der Crew geht es gut», sagte ein
Nasa-Kommentator. Es ist der erste gemeinsame Flug seit Beginn des
russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar. Alle
Stufen der Trägerrakete zündeten reibungslos, hieß es. Die Solarseg
el
an der Sojus-Kapsel hätten sich für den Weiterflug zur ISS «perfekt
»
entfaltet. Später bestätigte die Nasa die sichere Ankunft.

An Bord hat die Crew auch 120 Kilogramm Nachschubmaterial für die
ISS, darunter Hygiene- und medizinische Artikel, wissenschaftliche
Apparate und persönliche Gegenstände der Kosmonauten. Der 46-jährige

Rubio sagte in Baikonur vor dem Start, er freue sich auf den Blick
von dort oben auf die Erde. Gespannt sei er auf die «Dunkelheit und
darauf, wie die Sterne von dort aus aussehen».

Rubio hatte schon zuvor gesagt, dass die Raumfahrt eine Möglichkeit
sei, auch in Zeiten politischer Spannungen gemeinsam etwas zu
leisten. Die Crew sprach vorab nicht über den Krieg, sondern vor
allem über Persönliches und den Alltag von Raumfahrern. Alle machten
dabei deutlich, dass sie in dem halben Jahr auf der ISS vor allem
ihre Familien vermissen würden.

Das Schwerste werde für ihn persönlich die lange Trennung von seiner
Frau und seinen vier Kindern sein, sagte der in Los Angeles geborene
Astronaut Rubio, der seit 2017 bei der Nasa ist und nun zum ersten
Mal ins All fliegt. Ein paar Familienfotos werde er mit zur ISS
nehmen. «Es ist eine Ehre für mich, in die Fußstapfen früherer
Raumfahrer zu treten», sagte er vor dem Start.

Russlands Krieg gegen die Ukraine belastet die ohnehin schwierigen
Beziehungen zwischen Moskau und Washington zusätzlich. Russland
beklagt, dass die von den USA und der EU erlassenen Sanktionen im
Zuge des Kriegs die Arbeit in der Raumfahrt erschweren, darunter die
Produktion der auch militärisch nutzbaren Raketen. Zeitweilig stand
die Zusammenarbeit auch ganz auf der Kippe.

Die beiden Kosmonauten Prokopjew und Petelin reisten mit Rubio nun in
einer Sojus-Raumkapsel vom Typ MS-22 zum Außenposten der Menschheit.
Im Oktober soll die russische Kosmonautin Anna Kikina an Bord einer
«Crew Dragon»-Kapsel von Elon Musks Firma SpaceX von den USA aus zur
ISS fliegen. Die Flüge sollen Hoffnung geben, dass die Zusammenarbeit
auf der ISS noch über Jahre fortgesetzt wird. Russland hatte zuletzt
einen Ausstieg aus dem Projekt nach 2024 angekündigt, aber kein Datum
genannt. Abhängig vom technischen Zustand der Station werde Russland
wahrscheinlich bis 2028 an der ISS mitarbeiten, sagte Roskosmos-Chef
Juri Borissow am Dienstag.

Zur 68. ISS-Mission sagte Kosmonaut Prokopjew vor dem Start: «Das
Programm ist ziemlich voll - neben dem schnellen Andocken sind fünf
Ausstiege ins Weltall geplant.» Zudem seien 48 Experimente
vorgesehen, darunter die Arbeit mit einem 3D-Drucker in der
Schwerelosigkeit. Geplant ist demnach das Ausdrucken von
verschiedenen Figuren aus unterschiedlichen Materialien. Womöglich
könnte das in Zukunft zu einer neuen Generation von 3D-Druckern
führen.

Während Petelin und Rubio zum ersten Mal fliegen, ist es für
Prokopjew bereits der zweite Flug ins Weltall. Er sagte: «Wir spielen
alle Fußball. Wir werden im All sicher einen Ball finden.» Er habe
selbst schon Tennis und Badminton in der Schwerelosigkeit gespielt.
Ansonsten sei der Tagesablauf wie auf der Erde auch: Tagsüber
arbeiten, Nachtruhe sei von 23.00 Uhr bis 6.00 Uhr. «Ich schlafe
besser als auf der Erde», sagte der 47-Jährige.

Allein sein werden die drei Raumfahrer nicht auf der ISS: An Bord
sind bereits der Kommandant der 67. Expedition, Oleg Artemjew, die
Kosmonauten Denis Matwejew und Sergej Korssakow sowie die
Nasa-Astronauten Bob Hines, Kjell Lindgren, Jessica Watkins und die
Italienerin Samantha Cristoforetti von der europäischen
Raumfahrtbehörde Esa.