Kliniken leiden unter Kostenexplosion - «Zumutung für Patienten»

Die Kliniken stehen mit dem Rücken zur Wand. Die Entwicklung der
Preise von Energie bis hin zu Lebensmitteln können sie nicht
weitergeben. Steht das Land vor eine Insolvenzwelle?

Stuttgart (dpa/lsw) - Die Krankenhausgesellschaft befürchtet
angesichts einer Kostenexplosion mehr Insolvenzen. Die schon vor der
Corona-Pandemie unterfinanzierten Kliniken blieben auf den
erhöhten Preisen für Energie, Medizinprodukte, Lebensmittel und
Dienstleistungen sitzen, sagte der Hauptgeschäftsführer der
Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG), Matthias
Einwag, am Freitag in Stuttgart. Demnach beliefen sich die
Zusatzkosten auf 640 Millionen Euro im Land. «Das bezahlt niemand aus
der Portokasse», sagte Einwag. 61 Prozent der Teilnehmer einer
BWKG-Umfrage schreiben in diesem Jahr rote Zahlen.

Auf die prekäre Lage mit möglichen Insolvenzen will die
Krankenhausgesellschaft jetzt bundes- und landesweit mit der Aktion
«Alarmstufe Rot - Krankenhäuser in Gefahr» aufmerksam machen. Ein
Infomobil soll der Öffentlichkeit vor Ort die Situation der Kliniken
nahe bringen und den Druck auf die Politik verstärken, die Häuser
auskömmlich zu finanzieren. Die BWKG fordert einen
Inflationsausgleich von vier Prozent und das Weiterlaufen der
Corona-Hilfen.

Dem hat sich Gesundheitsminister Manne Lucha angeschlossen und einen
entsprechenden Antrag mit Bayern und Schleswig-Holstein in den
Bundesrat eingebracht. «Der Bund muss verhindern, dass Krankenhäuser,
Rehakliniken und Pflegeeinrichtungen jetzt wegen der drastischen
Inflation in die Insolvenz gehen», sagte der Grünen-Politiker.

Auch der Landkreistag warnte vor verheerenden Folgen für die
Krankenhauslandschaft. Die Landkreise müssen bei Insolvenzen die
Krankenversorgung sicherstellen.

Von der SPD im Landtag kam der Hinweis, Bundesgesundheitsminister
Karl Lauterbach (SPD) habe ein Hilfspaket angekündigt, um die
Krankenhäuser über den Herbst und den Winter zu bringen. «Wenn sich
Minister Lucha nach dieser Zusage mit einer kurzfristigen
Bundesratsinitiative rühmt, ist das nichts mehr als
Schaumschlägerei», sagte der SPD-Gesundheitsexperte Florian Wahl.

Auch für die Patienten hat die Unterfinanzierung Folgen. Die
Kaufmännische Direktorin des Universitätsklinikums Tübingen, Gabriele

Sonntag, verwies auf immer länger Wartelisten. «Sie sind eine
Zumutung für die Patienten.» In den Kliniken werden nicht dringend
notwendige Eingriffe häufig verschoben - etwa Hüft-Operationen,
Eingriffe bei Fehlstelllungen von Beinen und Entfernung von
Tumorvorstufen. Auch Patienten mit akuten Bandscheibenvorfällen
müssten zum Teil ein paar Tage warten, sagte Sonntag.

Die verschärften Test-Regeln für das Personal sind aus Sicht der BWKG
nicht nachvollziehbar. «Es kann nicht sein, dass Menschen, die
während der Corona-Pandemie geschuftet haben, jetzt ihren Test nicht
mehr zu Hause, sondern nur unter Aufsicht machen sollen», sagte
Einwag. Die Kliniken und ihr Personal brauchten Wertschätzung und
Unterstützung satt Misstrauen und immer neue Belastungen.

Der Chef des Stuttgarter Klinikums, Jan Steffen Jürgensen,
verschließt sich nach eigenen Worten der Forderung nach mehr
Effizienz im Gesundheitswesen nicht. Vor allem in der Digitalisierung
stecke noch Potenzial. Doch müsse das Verfahren zu einer modernen
Krankenhauslandschaft geordnet vonstatten gehen. Ein «kalter
Strukturwandel mit ungeplanten Abgängen» sei unerwünscht.