Boehringer-Chef sieht Gefahr für Pharmastandort und Forschung

Spätestens seit der Debatte um die Freigabe des Patentschutzes für
Corona-Impfstoffe wird der Schutz des geistigen Eigentums von einer
breiteren Öffentlichkeit verfolgt: Doch dabei geht es um viel mehr,
betont der Chef des Pharmariesen Boehringer Ingelheim.

Ingelheim (dpa) - Der Chef des Arzneimittelherstellers Boehringer
Ingelheim sieht den Pharmastandort Europa bedroht, falls der
Patentschutz für forschende Unternehmen in der EU abgeschwächt wird.
«Ich verfolge derzeit mit großer Sorge die Beratungen in der EU über

die neue Arzneimittelstrategie», sagte Hubertus von Baumbach der
Deutschen Presse-Agentur. «Da wird intensiv über Einschränkungen des

Schutzes geistigen Eigentums diskutiert, um damit vermeintlich den
Zugriff auf Medikamente und ihre Verteilung zu erleichtern.»

Sollte dies geschehen, werde die EU für Pharmaunternehmen weiter an
Attraktivität verlieren und hier «noch weniger geforscht», warnte von

Baumbach, der auch Präsident des europäischen Dachverbandes
forschender Pharmaunternehmen (EFPIA) ist. «Bei weiteren
Einschränkungen des Patentschutzes wird es auf lange Sicht keine
Innovationen mehr aus Europa geben.» Das werde auch den Patienten in
Europa schaden, sagte er.

Um den Zugang von Patienten zu neuen Arzneien europaweit zu erhalten,
sei es besser, das «Prinzip der Solidarität» in der EU wieder
anzuwenden. Die Preise richteten sich nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit in den jeweiligen Ländern, sagte er. «Die reichen

Länder müssen helfen, die Innovationen zu finanzieren, damit in
Europa dann alle Patienten - auch in den wirtschaftlich schwächeren
Staaten - von dem Fortschritt profitieren können»

Die Pharmaindustrie beschäftige 840 000 Menschen in der EU, davon 125
000 in Forschung und Entwicklung, und erwirtschafte über 100
Milliarden Euro Außenhandelsüberschuss pro Jahr - mehr als etwa die
Autoindustrie. «Wenn Europa sich in der Welt und den sich neu
bildenden Blöcken strategisch positionieren will, muss es an seine
wirtschaftliche Stärke denken und damit auch an die innovative
Pharmaindustrie als eine seiner Zukunftsindustrien», sagte von
Baumbach.

Das familiengeführte Unternehmen mit Hauptsitz im
rheinland-pfälzischen Ingelheim gehört mit weltweit über 52 000
Beschäftigten - davon etwa 17 000 in Deutschland - zu den größten
deutschen Pharmaherstellern. Gewinn und Umsatz waren im vergangenen
Jahr kräftig auf 3,4 Milliarden Euro beziehungsweise 20,6 Milliarden
Euro gestiegen.