Biden nennt Abtreibungsurteil «tragischen Fehler» - kündigt Kampf an

Washington (dpa) - US-Präsident Joe Biden hat die historische
Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegen das liberale
Abtreibungsrecht in den Vereinigten Staaten als «tragischen Fehler»
bezeichnet. «Es ist meiner Ansicht nach die Verwirklichung einer
extremen Ideologie und ein tragischer Fehler des Obersten
Gerichtshofs», sagte Biden am Freitag in Washington. «Ich werde alles
in meiner Macht stehende tun, um diesen zutiefst unamerikanischen
Angriff zu bekämpfen.» Der US-Kongress müsse jetzt handeln, um in der

Sache das letzte Wort zu haben. «Es ist nicht vorbei», so Biden.

Zuvor hatte der Supreme Court der USA hat nach fast einem halben
Jahrhundert das liberale US-Abtreibungsrecht gekippt. Der
mehrheitlich konservativ besetzte Supreme Court in Washington machte
mit seiner Entscheidung am Freitag den Weg für strengere
Abtreibungsgesetze frei - bis hin zu kompletten Verboten in einzelnen
Bundesstaaten. Damit ist das bisherige Recht auf Abtreibung aus dem
Jahr 1973 in den USA Geschichte. Die Entscheidung gilt als
politisches Erdbeben. Es werden massive Proteste erwartet.

«Die Verfassung gewährt kein Recht auf Abtreibung», heißt es in der

Urteilsbegründung. Die Entscheidung ist keine Überraschung: Anfang
Mai hatte das Magazin «Politico» einen Entwurf dazu veröffentlicht.
Daraus ging bereits hervor, dass das Gericht so entscheiden will.
Daraufhin gab es einen Aufschrei von Frauenrechtsorganisationen,
Kliniken und Liberalen. Das Urteil ist nun so drastisch wie erwartet.
In etwa der Hälfte der Bundesstaaten dürfte es nun zu weitgehenden
Einschränkungen kommen.

Es gibt in den USA kein landesweites Gesetz, das
Schwangerschaftsabbrüche erlaubt oder verbietet. Abtreibungen sind
aber mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt - heute
etwa bis zur 24. Woche. Dies stellte bisher ein Urteil des Obersten
US-Gerichts von 1973 sicher, das als Roe v. Wade bekannt ist. Ein
weiteres Urteil von 1992, Planned Parenthood v. Casey, bestärkte die
Rechtsprechung und passte sie etwas an.

In den USA ist das Abtreibungsrecht immer wieder Thema heftiger
Auseinandersetzungen. Gegner versuchen seit Jahrzehnten, die
liberalen Regeln zu kippen. Unter Bidens Vorgänger, Ex-Präsident
Donald Trump, rückte der Supreme Court deutlich nach rechts. Der
Republikaner ernannte während seiner Amtszeit die Richter Neil
Gorsuch, Brett Kavanaugh und Amy Coney Barrett. Sie alle stimmten
dafür, das Recht auf Abtreibung zu kippen - gemeinsam mit den
konservativen Richtern Clarence Thomas und Samuel Alito.