Wegen psychischer Folgen: Ärzte warnen vor Corona-Schulschließungen

Berlin (dpa) - Angesichts vermehrter psychischer Störungen bei
Kindern und Jugendlichen in der Corona-Pandemie warnen Ärzte vor
erneuten Schul- und Kitaschließungen im Herbst. «Wir wissen zurzeit
nicht, ob die Resilienz der Kinder ausreichen wird, um die Störungen
und Defizite zu überwinden», sagte der Präsident des Berufsverbandes

der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Thomas Fischbach, am Freitag.
Deshalb sei es auch wichtig, dass Bildungseinrichtungen unter
Berücksichtigung von Schutzmaßnahmen offenblieben.

Bei der Zunahme psychischer Störungen beruft sich der BVKJ auf
Erhebungen der Krankenkasse DAK, die Daten von 800 000 Kindern und
Jugendlichen in Deutschland analysiert hatte. Demnach wurden
verglichen mit 2020 im vergangenen Jahr insgesamt 42 Prozent mehr
Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren wegen emotionaler Störungen -
dazu gehören Depressionen und Angststörungen - in Kliniken
eingewiesen, bei Schulkindern von 10 bis 14 Jahren waren es elf
Prozent mehr.

Depressive Episoden nahmen demnach 2021 im Vergleich zu 2020 bei den
12- bis 18-Jährigen um 28 und bei den 10- bis 14-Jährigen um 27
Prozent zu. Zudem waren auch mehr Kinder und Jugendliche von Ess- und
Angststörungen betroffen: 17 Prozent mehr Jugendliche und 21 Prozent
mehr Schulkinder wurden wegen Essstörungen stationär behandelt.
Aufgrund von Angststörungen waren es drei Prozent mehr bei den
Jugendlichen und 25 Prozent mehr bei Schulkindern.

«Wir brauchen natürlich mehr Therapieplätze, um Wartezeiten zu
verkürzen - das war ja schon vor der Pandemie ein Drama», sagte der
BVKJ-Präsident. Er bedauerte die gescheiterte Einführung der
Impfpflicht ab 18 Jahren: «Dass dies nicht geschehen ist, ist aus
unserer Sicht nach wie vor unverantwortlich.»

Mit Blick auf den Ukraine-Krieg, der sich auch auf die Psyche
ukrainischer Kinder auswirke, sagte Fischbach: «Als Kinder und
Jugendärzte erleben wir in unseren Praxen die traumatisierten Kinder
und Jugendlichen. Wir erleben die Angst um ihre Väter und Großeltern
und ihre Trauer über die erzwungene Entwurzelung.»