Opferbeauftragte fordert von Firmen Geld für DDR-Zwangsarbeiter

«Knastware für den Klassenfeind» - Strumpfhosen und andere Artikel
aus der Produktion in DDR-Gefängnissen wurden in westdeutschen Läden
verkauft. Wer sie damals vermarktet habe, müsse heute Entschädigung
leisten, findet die SED-Opferbeauftragte.

Berlin (dpa) - Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke übt scharfe
Kritik an westlichen Konzernen, die früher Waren aus Zwangsarbeit in
DDR-Gefängnissen bezogen. «Es beschämt mich zutiefst, dass im
Gegensatz zum schwedischen Möbelkonzern Ikea bis heute keines der
größeren westdeutschen Unternehmen, die von Zwangsarbeit profitiert
haben, sich dazu bereit erklärt hat, sich an der Unterstützung der
Opfer zu beteiligen», sagte Zupke am Donnerstag in Berlin.

Sie nannte vor allem westliche Warenhausketten, die zum Beispiel
Strumpfhosen aus der Produktion im Frauengefängnis Hoheneck verkauft
hätten - «Knastware für den Klassenfeind», zitierte Zupke einen daf
ür
geprägten Begriff. Die Firmen «ließen sich mit der SED-Diktatur ein
und nutzten die Zwangsarbeiterinnen als billige Arbeitskräfte». Für
eine Beteiligung an der Entschädigung dieser Menschen sei es aber nie
zu spät. «Als SED-Opferbeauftragte werde ich die Unternehmen weiter
in die Verantwortung nehmen.» Die Deutsche Presse-Agentur hat die von
Zupke genannten Unternehmen um Stellungnahme gebeten.

Die Opferbeauftragte warb insgesamt dafür, den Opfern der
SED-Diktatur mehr als 30 Jahre nach der deutschen Einheit rascher und
unkomplizierter Hilfe zukommen zu lassen. Nach Zupkes Angaben gab es
in den 40 Jahren der DDR-Geschichte etwa 250 000 politische Häftlinge
sowie 173 000 Jugendliche in sogenannten Jugendwerkhöfen. Bisher
bezögen rund 50 000 Betroffene eine Opferrente.

Es gelte, «Gerechtigkeitslücken» zu schließen, sagte Zupke. Noch
immer scheiterten viele Menschen am Nachweis der gesundheitlichen
Folgen ihrer Verfolgung zu DDR-Zeiten. «Ich schlage vor, dass auf
Grundlage klar definierter Kriterien, wie politische Haft oder
Zersetzung, und definierter Krankheitsbilder der Zusammenhang
zwischen dem schädigenden Ereignis und dem heutigen
Gesundheitsschaden als gegeben vorausgesetzt wird», erklärte Zupke.

Sie nannte dies eine «konkretisierte Vermutungsregelung». Eine
ähnliche Regel gelte für die durch die Auslandseinsätze körperlich

und psychisch geschädigten Soldaten. «Mit dieser Regelung für die
SED-Opfer würden unnötige Bürokratiekosten gespart und das Vertrauen

der Opfer in den Rechtsstaat gestärkt werden», meinte Zupke.

Die frühere Bürgerrechtlerin hat das Amt der SED-Opferbeauftragten
seit einem Jahr inne - seit dem 17. Juni 2021. Damals wurde zugleich
die Stasi-Unterlagen-Behörde aufgelöst und deren Bestände wurden ins

Bundesarchiv übertragen, also Millionen Dokumente wie Stasi-Akten,
aber auch Fotos und Tonträger.

Der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann, zog eine positive
Bilanz. Das Interesse von Bürgern, Wissenschaft und Medien an den
Akten des früheren DDR-Ministeriums für Staatssicherheit sei weiter
hoch und der Zugang offen, sagte Hollmann der Deutschen
Presse-Agentur. Die Stasi-Akten trügen entscheidend zur Aufarbeitung
der SED-Diktatur bei.