Eine Tonne Cannabis aus Leuna - Wie im Chemiepark Hanf angebaut wird Von Wilhelm Pischke, dpa

Mit großem Aufwand wird seit kurzem in Leuna medizinisches Cannabis
hergestellt. Im Mai wurden die ersten Blüten ausgeliefert.

Leuna (dpa/sa) - Schutzanzug, Sonnenbrille, Haarnetz, Bartschutz und
Schuhüberzieher: Nahezu vollvermummt geht es für die Mitarbeiter der
Cannabisproduktion in Leuna in die Räumlichkeiten mit den duftenden
Pflanzen. Es gehe darum, keine Erreger oder Parasiten an die
Hanfgewächse zu tragen, erklärt Axel Gille, Präsident von Aurora
Europe. Das Unternehmen, Tochtergesellschaft des kanadischen
Mutterkonzerns Aurora, hat im Chemiepark eine Hanfaufzucht aufgebaut
und nun die ersten Ernten eingefahren.

Jährlich wolle Aurora am 3600 Quadratmeter großen Standort eine Tonne
medizinisches Cannabis produzieren, sagt Gille. Die Blüten des
sogenannten Cultivar Voluptas könnten Patienten dann mit einer
Verschreibung in den Apotheken beziehen. Typische Anwendungsbereiche
seien unter anderem Schmerzbehandlungen, neurologische Krankheiten,
Übelkeit und Appetitlosigkeit. Aktuell machten bis zu 120 000
Menschen eine Cannabis-Therapie, sagt Gille. Neben dem Vaporisieren
der Blüten sei die Einnahme als Tropfen die gängigste Anwendung.

Gille sieht die Nutzung von Cannabis-Therapien in Deutschland erst am
Anfang. In Kanada sei beispielsweise der Anteil der Bevölkerung, der
mit medizinischem Cannabis behandelt werde, deutlich höher. Übertrage
man diesen Anteil auf Deutschland, sehe er ein Wachstumspotenzial von
etwa 700 000 zusätzlichen Patienten.

Aurora mit seiner Produktionsstätte im Chemiepark in Leuna ist eines
von drei Unternehmen in Deutschland, die im Auftrag des Staates
Cannabis herstellen. Die anderen beiden Produktionsstätten anderer
Unternehmen sind in Sachsen und Schleswig-Holstein.

Die drei Unternehmen haben 2019 eine entsprechende Ausschreibung des
Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
gewonnen. Insgesamt sieht die Ausschreibung vor, dass die drei
Unternehmen über vier Jahre verteilt gut zehn Tonnen herstellen. Pro
Jahr macht das etwa 2,6 Tonnen. Der Bedarf an medizinischem Cannabis
liegt in Deutschland laut Gille zwischen sechs bis acht Tonnen. Die
Differenz wird von ausländischen Produzenten unter anderem aus Kanada
und Dänemark bezogen.

Das Cannabis wird in Leuna unter streng bewachten Bedingungen in
einer Indoor-Produktionsstätte hergestellt. Etwa 25 Zentimeter
Stahlbeton, über 600 Sicherheitssensoren und circa 130 Kameras
sichern das Gelände vor etwaigen Einbrüchen ab. 20 Mitarbeiter
kümmern sich um die Aufzucht der Pflanzen, deren Blüten nach der
Ernte über den Großhändler Cansativa an die Apotheken in Deutschland

ausgeliefert werden.

Die Aufzucht der auch als «Sweet Island Skunk» bezeichneten Hanfsorte
ist aufwendig. Zwölf Wochen dauert es vom Einpflanzen der Ableger bis
zur Ernte, wie Gille erklärt. Neben der genauen Überwachung der
Lichtverhältnisse und der Luftfeuchte würden Nützlinge wie
Schlupfwespen eingesetzt, um die Pflanzen vor Schädlingen zu
schützen. Da nur die Blüte genutzt werde, entstünden bei der
Produktion ungeheure Mengen an Pflanzenresten. Der Verwurf müsse -
weil Hanf als Betäubungsmittel gilt - unter Zeugen in der
Müllverbrennung vernichtet werden. Zur Ernte trage jede Pflanze nur
etwa 40 Gramm der für den Verkauf bestimmten trockenen Blüten.

Die Aurora Deutschland GmbH mit Hauptsitz in Berlin ist ein
zugelassener Pharmagroßhändler mit Herstellerlaubnis für sogenanntes

Medizinal-Cannabis. Das Unternehmen ist Teil der Aurora Europe GmbH,
die ihrerseits eine Tochtergesellschaft des börsennotierten
kanadischen Cannabis-Herstellers Aurora Cannabis Inc. mit Hauptsitz
in Edmonton ist.