Corona, nej tak! - Dänemark lässt Beschränkungen hinter sich Von Steffen Trumpf und Birgitta von Gyldenfeldt, dpa

Dänemark wagt sich in der Pandemie wieder als einer der ersten aus
der Deckung. Wie bereits im Spätsommer hebt der Nachbar im Norden
alle wesentlichen Corona-Beschränkungen auf. Der großen Feier macht
zunächst aber das Wetter einen Strich durch die Rechnung.

Kopenhagen (dpa) - Als eines der ersten Länder Europas hat Dänemark
am Dienstag praktisch alle Corona-Beschränkungen aufgehoben. Im
nördlichsten deutschen Nachbarland gelten bis auf vereinzelte
Einreiseregeln keine Einschränkungen mehr - trotz einer nach wie vor
sehr hohen Zahl an Neuinfektionen und einer Sieben-Tage-Inzidenz von
knapp 4800.

Die Maskenpflicht gehört nun bis auf Weiteres ebenso der
Vergangenheit an wie das Vorzeigen von Impf-, Genesungs- und
Testnachweisen per Corona-Pass. Großveranstaltungen wie Konzerte und
Fußballspiele können nun ohne Teilnehmerbegrenzungen über die Bühne

gehen. Discos und andere Einrichtungen des Nachtlebens dürfen
ebenfalls wieder öffnen. Zeitliche Beschränkungen für den Verkauf von

Alkohol etwa in Kneipen gibt es nun nicht mehr.

Grundlage für all das ist die Entscheidung, Covid-19 in Dänemark
nicht mehr als «gesellschaftskritische Krankheit» einzustufen. Die
umfassende Aufhebung von Beschränkungen inmitten hoher
Neuinfektionszahlen - wie passt das zusammen? Tatsächlich könne dies
merkwürdig oder paradox wirken, hatte Ministerpräsidentin Mette
Frederiksen bei der Bekanntgabe der Entscheidung vergangene Woche
gesagt. Die Zahl, auf die man schaue, sei jedoch die, wie viele nach
einer Infektion ernsthaft erkrankten. Diese Kurve sei nun gebrochen.

Gesundheitsminister Magnus Heunicke mahnte am Dienstag aber auch:
«Corona verschwindet nicht mit den Beschränkungen aus der
Gesellschaft.» Man müsse weiterhin aufeinander Acht geben, vor allem
auf Anfällige und Ältere. Nahezu alle neuen Corona-Fälle in Dänemar
k
gehen mittlerweile auf die Omikron-Variante zurück - und das wird
durchaus positiv gesehen. Denn trotz der vielen Neuinfektionen ist
die befürchtet schwierige Lage in den Krankenhäusern und vor allem
auf den Intensivstationen ausgeblieben.

Die Dänen haben zwei Erklärungen dafür: mildere Krankheitsverläufe

bei Omikron-Infektionen und die im Land sehr hohen Impfzahlen. Mehr
als vier Fünftel der Gesamtbevölkerung von knapp sechs Millionen
Menschen verfügen über den Impf-Grundschutz gegen Covid-19. Über 60
Prozent haben auch schon ihre Auffrischdosis erhalten. Der Impfstoff
habe sich als «Superwaffe» erwiesen, sagte Frederiksen. Die Zahlen
der Neuinfektionen und der Krankenhauseinlieferungen haben sich
voneinander entkoppelt.

«Wir sind durch die kritische Phase durch», so Frederiksen. «Wir
sagen «Auf Wiedersehen» zu den Beschränkungen und «Willkommen» zu
dem
Leben, das wir vor Corona kannten.» Die große Willkommensfeier blieb
in der kalten Nacht zum Dienstag aus. Auch am verregneten Vormittag
gab es in der Hauptstadt Kopenhagen keine größeren Jubelszenen,
trotzdem war vieles anders: Läden in der Innenstadt hatten die
meisten Corona-Hinweise entfernt, Masken trug kaum jemand mehr.

In der Fußgängerzone des Städtchens Aabenraa (Apenrade) nahe der
Grenze zu Deutschland war von der Aufhebung noch wenig zu spüren. Bei
Nieselregen und Kälte bummelten nur wenige durch Straßen und
Geschäfte. Ganz weg waren die Deutschen auch in den vergangenen
Monaten nicht. Die Direktorin von Business Aabenraa, Helle Malene
Kjølsen Olsen, verspricht sich jedoch weiteren Zuwachs. «Ich hoffe,
dass viele Deutsche die Gelegenheit nutzen, ohne Restriktionen die
Geschäfte, Restaurants und Discos wieder zu besuchen.»

Ob nun weniger Dänen zum Einkaufen nach Schleswig-Holstein kommen,
muss sich zeigen. Auf den Parkplätzen vor Supermärkten in Flensburg
standen am Dienstag weiter Autos mit dänischen Kennzeichen. Viele
Dänen aus der Grenzregion werden vermutlich weiterhin Maskenpflicht
und weitere Beschränkungen in Kauf nehmen, um in Deutschland
günstiger einkaufen zu können.

Dänemark hatte im September schon einmal alle Beschränkungen
aufgehoben. Dann stiegen die Neuinfektionszahlen aber wieder, weshalb
die Restriktionen wieder eingeführt wurden. Am Dienstag lag die Zahl
bei mehr als 45 000 neuen Fällen. Vereinzelte Einreiseregeln vor
allem für Ungeimpfte bleiben bestehen. Krankenhäuser und Pflegeheimen
sollen von Besuchern zudem den Gebrauch von Masken und Corona-Pass
verlangen, um Schutzbedürftige und Ältere zu schützen.