Hausärzte beklagen unzureichende Versorgung mit Biontech-Impfstoff

Beim Boostern in Hausarztpraxen übersteigt die Nachfrage der Menschen
nach dem Vakzin von Biontech derzeit das Angebot. Erstimpfungen
spielen nur eine Nebenrolle. Landesweit sind seit Anfang Dezember
rund 143 000 Menschen erstmals gegen Corona geimpft worden.

Mainz (dpa/lrs) - Engpässe bei der Belieferung mit dem
Corona-Impfstoff von Biontech machen den Hausärzten in
Rheinland-Pfalz im Praxisalltag nach wie vor zu schaffen. «Angebot
und Nachfrage passen bei Biontech in den Praxen derzeit schlecht
zusammen», sagte die Vorsitzende des rheinland-pfälzischen
Hausärzteverbandes, Barbara Römer, der Deutschen Presse-Agentur. Das
führe zu einem «massiven Organisationsstress» vor allem für die
Medizinischen Fachangestellten (MFAs), die in der Regel die
Impftermine koordinierten.

Laut Römer, die selbst im rheinhessischen Saulheim eine Praxis
betreibt, ist der vom Bund für die Hausärzte bereitgestellte
Impfstoff von Biontech/Pfizer seit Wochen auf maximal fünf Fläschchen
pro Arzt und Woche beschränkt. Das bedeute, dass für eine
Einzelpraxis maximal 30 Dosen pro Woche verfügbar seien. Obendrein
sei diese ohnehin begrenzte Liefermenge in den vergangenen Wochen
noch einmal zwischen 40 und 50 Prozent gekürzt worden.

Auf der anderen Seite häuften sich seit Jahresbeginn in den Praxen
die Terminanfragen von jungen Erwachsenen unter 30 und Jugendlichen
zwischen 12 und 17 Jahren, berichtete die Verbandsvorsitzende weiter.
Hintergrund dafür ist die Booster-Empfehlung der Ständigen
Impfkommission (Stiko) für diese Altersgruppe. Jungen Menschen unter
30 soll das Biontech-Vakzin und nicht der ebenfalls auf der
mRNA-Technologie basierende Impfstoff des US-Herstellers Moderna
verabreicht werden.

Bei Über-30-Jährigen gilt diese Einschränkung dagegen nicht. Doch
bevorzugen in dieser Altersgruppe offenbar viele Patienten das Mittel
von Biontech/Pfizer. «Es gibt immer wieder Diskussionen der MFAs mit
Patienten über die derzeit nicht mögliche Impfstoffwahl, vereinzelt
wird daher mangels Zusicherung des Impfstoffs ein Impftermin
abgelehnt», berichtete Römer aus dem hausärztlichen Alltag. «Praxen

können bei Patienten über 30 nur kommunizieren: Geimpft wird, was da
ist.» Die Vereinbarung eines Impftermins für Über-30-Jährige bleibe

eine Herausforderung.

«Bei diesen unvorhersehbaren Kürzungsumfängen ist eine längerfristi
ge
Planung von Impfterminen schlichtweg unmöglich», kritisierte Römer.
Die Hausärzte forderten daher, dass gerade auch angesichts der
aktuellen Pandemiewelle, die vor allem auf die neue Omikron-Variante
zurückgeführt wird, den Praxen Biontech-Impfstoff nach dem jeweiligen
Bedarf und in vollem Umfang zur Verfügung gestellt werde. «Wir haben
schlichtweg keine Zeit für die ständige Umorganisation von
Impfterminen neben der in voller Ausprägung laufenden Bekämpfung der
Omikronwelle», betonte Römer.

«Wir sind auch in Zeiten von Omikron uneingeschränkt bereit, diese
Doppelbelastung auf uns zu nehmen, da wir alle unser Bestes geben
wollen, diese Pandemie zu knacken», sagte Römer. Schließlich seien
Patientenversorgung und Prävention durch Impfungen Teil der
hausärztlichen Identität. «Dafür benötigen wir aber Verlässlich
keit
in der Logistik.» Je mehr Institutionen in das Impfgeschehen
eingebunden würden, desto undurchsichtiger werde der
Verteilungsmodus.

In der Regel bestellen die Arztpraxen den Impfstoff wöchentlich bei
den Apotheken, die diese Bestellungen dann nach Angaben der
Bundesvereinigung der Apothekerverbände an den pharmazeutischen
Großhandel weiterleiten. Die Covid-19-Impfstoffe sind Eigentum des
Bundes und lagern an wenigen Orten in Deutschland. Die Impfstoffe
werden den Angaben zufolge während des Transports zu den Apotheken
aufgetaut. Die Apotheken erhalten die Impfstoffe montags und
beliefern dann die Arztpraxen in der Regel noch am selben Tag.

Bei den Corona-Schutzimpfungen geht es im Praxisalltag laut Römer
überwiegend ums Boostern, also um Auffrischungsspritzen.
Erstimpfungen hätten einen Anteil von weniger als zehn Prozent, und
da zeichne sich auch keine Änderung ab, sagte sie.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums gab es seit dem 1. Dezember
in Rheinland-Pfalz insgesamt rund 143 000 Erstimpfungen gegen Corona
(Stichtag 19. Januar). Der überwiegende Teil davon wurde in
Kassenarztpraxen verabreicht (gut 77 000). Der Rest entfällt auf die
Impfzentren (knapp 42 000) und sonstige Einrichtungen wie Impfbusse,
Privatarztpraxen, Impfstationen an Krankenhäusern und Betriebsärzte
(rund 24 000). Allerdings werden laut Ministerium nicht alle
Betriebsarzt- und Krankenhausimpfungen an die Impfdokumentation
Rheinland-Pfalz übermittelt, weshalb die tatsächliche Zahl etwas
höher liegen könnte.

Nach Ansicht von Landes-Impfkoordinator Daniel Stich (SPD) gibt es
bei der Zahl der Erstimpfungen durchaus noch Luft nach oben.
«Rheinland-Pfalz hat eine gute Impfquote. Mit über zwei Millionen
Boosterimpfungen seit September haben wir den Turbo eingelegt», sagte
er der Deutschen Presse-Agentur. «Aber: Da geht noch mehr. Wir wollen
und müssen auch jene erreichen, die noch nicht geimpft sind. Jede
Impfung zählt.»

Impfbefürworter hoffen, dass ein neues Vakzin des US-Herstellers
Novavax zu einer stärkeren Nachfrage nach Erstimpfungen führt. Der
«Totimpfstoff» ist nach Angaben des Gesundheitsministeriums auch
ausgerichtet auf Menschen, die den bislang zugelassenen Impfstoffen
skeptisch gegenüberstehen. Anmeldungen dafür sind von diesem Montag
an über das Impfportal des Landes möglich. Ende Februar erwartet das
Land die erste Lieferung des Impfstoffs Nuvaxovid. Die Dosen werden
demnach im Abstand von etwa drei Wochen verabreicht.