Kritik an Corona-Regeln im Theater: «Bier geht vor Kultur»

Im Restaurant ohne Mundschutz am gleichen Tisch - beim Theaterbesuch
nur noch mit Test, Maske und viel Abstand. So sehen derzeit die
Corona-Regeln in Bayern aus. Die Kulturbranche revoltiert und fordert
gleiche Rechte.

München (dpa/lby) - Der Druck auf die bayerische Staatsregierung
wächst: immer mehr Kulturschaffende und Politiker fordern, die harten
Corona-Regeln für Theater, Konzerte und ähnliche Veranstaltungen zu
lockern. «Lockerungen der Zugangsbeschränkungen in der Kultur sind
dringend geboten, um Existenzen der Künstlerschaft zu sichern und die
kulturelle Grundversorgung der Menschen zu gewährleisten», sagte die
Vorsitzende des Deutschen Bühnenvereins in Bayern, die Nürnberger
Zweite Bürgermeisterin Julia Lehner (CSU), am Mittwoch.

Was die Branche vor allem erbost, sind die laxeren Regeln in der
Gastronomie, wo wegen der 2G-Regel nur Geimpfte und Genesene Zutritt
haben. In Theatern, Konzertsälen, Kinos und Museen dagegen müssen
Besucher auch noch einen negativen Corona-Test vorlegen und obendrein
eine FFP2-Maske tragen. Zudem dürfen nur 25 Prozent der verfügbaren
Plätze besetzt werden.

«Die bundesweit einzigartige 25 Prozent Auslastungsgrenze für den
Kulturbereich muss weg», forderte die kulturpolitische Sprecherin der
Landtags-Grünen, Sanne Kurz. «Sie hat schon genug Betroffene ihre
Existenz gekostet.» In der Tat ist es insbesondere für kleine Theater
kaum lohnenswert, nur vor einem Viertel des Publikums zu spielen.
Viele müssten dann sogar draufzahlen, weil die Einnahmen zu niedrig
sind, um die Ausgaben zu decken.

«Wir können das nur noch so bewerten, dass die Aussage «Bayern ist
ein Kulturstaat» ein leere Hülse ist: Bier geht vor Kultur», sagte
deshalb Daniela Aue vom Verband Freie Darstellende Künste in Bayern
(VfdKB). Diese Regeln seien ein «fatales Zeichen mit fatalen Folgen».
Man sende das Signal aus, dass bei Kulturveranstaltungen das Risiko
einer Ansteckung groß sei - diese würden dann in der Folge gemieden.
Dabei hätten Theater hervorragende Hygiene- und Lüftungskonzepte.
«Gerade letztere sind in der Gastronomie so sicherlich nicht
vorhanden und dort sitzen die Gäste häufig dicht auf dicht»,
kritisierte Aue.

Auch der Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF KINO) kritisierte
die «bundesweit schärfsten Corona-Maßnahmen» im Kulturbereich,
abgesehen von den Komplettschließungen in Sachsen. «Sie bedeuten eine
Abstrafung der bayerischen Kinos. Dies werden wir nicht länger
hinnehmen», sagte Christine Berg aus dem Vorstand der Organisation,
die bundesweit rund 600 Mitglieder hat. Im Vergleich zu anderen
Branchen würden die Interessen mit Füßen getreten. «Hier wurde
offensichtlich ganze Lobbyarbeit geleistet!»

Am Mittwoch hatten Kunstminister Bernd Sibler und die für Film
zuständige Digitalministerin Judith Gerlach (beide CSU) sich mit
Kulturschaffende zu einem Gespräch getroffen. Man habe sich vor den
Beratungen des Kabinetts in der kommenden Woche noch mal umfassend
mit der Branche austauschen wollen, sagte Sibler im Anschluss. Gerade
die Auslastung von 25 Prozent hätten viele als große Herausforderung
beschrieben. Omikron habe die Lage nochmals verändert und man müsse
die Lage nun genau beobachten. Er wolle sich aber dafür einsetzen,
dass die aktuelle Situation der Kulturschaffenden verbessert werde
und dass Erleichterungen geschaffen würden. Auch eine Verlängerung
der Hilfsprogramme für die Kulturszene will Sibler voranbringen.

Unterstützung für die Kultur kommt aus der Opposition - und Kritik an
Sibler und Ministerpräsident Markus Söder (CSU). «Die Söder-Regie
rung
zwingt die Kultur in ein so enges Korsett, dass es ihr die Luft zum
Atmen nimmt», meinte der kulturpolitische Sprecher der Landtags-FDP,
Wolfgang Heubisch - selbst von 2008 bis 2013 Minister für Forschung,
Wissenschaft und Kunst. Warme Worte und Sympathiebekundungen
trösteten nicht. «Der Kunstminister muss jetzt endlich der Kultur
Erleichterungen verschaffen: 50 Prozent Auslastung mit 2G-Regel.»

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Florian von Brunn (SPD) nannte die
Regeln «absurd und unverständlich». In der Gaststätte dürften die

Menschen eng an eng ohne Maske sitzen, im Kino, in der Kulturbühne
oder im Theater würden dagegen harte Besucherbeschränkungen gelten.
«Das kann man keinem Menschen erklären.»

Der Geschäftsführer des Konzertveranstalters Münchenmusik, Andreas
Schessl, hat beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Klage eingelegt,
um sich gegen die Beschränkung auf 25 Prozent der Zuschauerkapazität
zu wehren. Es sei unverständlich, warum von der Kultur wieder ein
Sonderopfer erzwungen werde, sagte er. Die Kulturbranche habe
offenbar überschätzt, welchen Stellenwert sie in der Politik habe.