Nachhaltige Periodenslips? Experten warnen vor Bioziden Von Anja Sokolow, dpa

Das Versprechen klingt gut: Periodenslips sollen Müll vermeiden und
«nachhaltig» sein. Doch wie nachhaltig ist Wäsche, die Chemikalien
enthält, die beim Waschen in die Umwelt gelangen?

Berlin (dpa) - Periodenslips als nachhaltige Alternative zu Tampons
und Binden - das versprechen Anbieter, die den Markt erobern. Anders
als Wegwerfprodukte können die Höschen nach dem Waschen wieder
verwendet werden. Doch weil sie nicht immer bei 60 Grad in die
Maschine können, nutzen manche Hersteller Biozide. Das sind
Substanzen, die zum Beispiel Pilze und Bakterien abtöten
sollen. Hygiene- und Umweltexperten sehen das kritisch. 

«Ich halte biozidbehandelte Menstruationswäsche für nicht nachhaltig.

Biozide sollen Lebewesen schädigen und abtöten und können
unerwünschte Nebenwirkungen auf die Gesundheit und auf die Umwelt
haben», sagt etwa die Biologin Susanne Smolka vom Verein
Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN Germany). 

Das Angebot an Periodenslips wächst. Es sei nicht immer leicht,
Auskünfte über enthaltene Biozide zu bekommen, sagt Fenja Kramer,
Gründerin des Nachhaltigkeitsmagazins «Peppermynta», das für seine

Leserinnen Produkte von elf Herstellern getestet hat. «Es
ist erschreckend, dass die Hersteller teilweise sehr intransparent
mit Informationen dazu umgehen.» Dabei bestehe eine
Kennzeichnungspflicht für biozidbehandelte Waren, sofern mit der
Biozidfunktion und Bezeichnungen wie
«antibakteriell», «bakterienhemmend» oder «mit Geruchsschutz
»
geworben werde. 

Das Berliner Start-up Ooia setzt auf Silberchlorid: Durch eine Wäsche
bei 40 Grad würden Bakterien nicht abgetötet, bei einer
60-Grad-Wäsche würden sich aber die verwendeten Stoffe verziehen.
«Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, auf antibakterielle
Wirkstoffe zu setzen», erklärt Gründerin Kristine Zeller. Der
Hamburger Hersteller Mylily verwendet Silbernitrat. Die Wäsche könne

aufgrund der Materialien in der Saugschicht nur bei 30 Grad gewaschen

werden, dabei überlebten Bakterien, heißt es zur Begründung. 

«Inzwischen gibt es unendlich viele Produkte, die mit Bioziden
ausgestattet sind: Sportsocken, Funktionsunterwäsche oder
auch Klobrillen, PC-Tastaturen, Putztücher und Mund-Nasen-Masken sind
auf dem Markt», sagt Smolka. Eine genaue Übersicht fehle. Ab 2022
werde es eine Meldepflicht über den Absatz von Bioziden geben, die
zumindest Anhaltspunkte zu den verwendeten Mengen geben könnte. 

Das Bundesumweltministerium warnt vor möglichen Folgen von Bioziden
in Kleidung wie allergischen Reaktionen, einer Beeinträchtigung der
natürlichen Bakterienflora sowie einer Resistenzentwicklung bei
Krankheitserregern. «Generell sollte man mit Bioziden ausgerüstete
Textilien nicht verwenden, da es nicht zwingend nötig ist», sagt
Marcus Gast, Experte für wassergefährdende Stoffe im Umweltbundesamt.
Eine 60-Grad-Wäsche mit Bleichmittel entferne Krankheits- und
geruchsbildende Keime hinreichend. 

Auch Dirk Bockmühl zweifelt am Nutzen der Biozide in Slips: «Es gib
t
Bereiche, in denen Biozide sehr sinnvoll eingesetzt werden, zum
Beispiel in der Medizin bei Wundauflagen», sagt der Hygiene-Experte,
Vorstandsmitglied der Fachgruppe Chemie des Waschens in der
Gesellschaft Deutscher Chemiker. Im Haushaltsbereich sei der Einsatz
nicht sinnvoll - speziell bei den Slips wögen sie die Nutzerinnen
womöglich auch in falscher Sicherheit. 

Ob von den Bioziden ein direktes Risiko für die Frauen ausgeht, ist
bisher unklar. Auch am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) wurde
noch keine gesundheitliche Bewertung solcher Wäsche durchgeführt.
«Solange keine Bewertung - weder auf gesundheitliche Risiken noch auf
Wirksamkeit - durchgeführt wurde, sehen wir den Einsatz biozider
Stoffe, insbesondere in direktem Hautkontakt, kritisch», heißt es vom
Institut. 

«Es gibt keinerlei Studien darüber, ob die Biozide, die in manchen
Menstruationsslips verwendet werden, auch die gesunde Bakterienflora
im Intimbereich negativ beeinflussen können», sagt der Präsident de
s
Berufsverbandes der Frauenärzte, Christian Albring.

Experten warnen auch vor den potenziellen Folgen von Bioziden für die
Natur. Bei jeder Wäsche kann ein kleiner Teil der Substanzen mit dem

Waschwasser über die Kläranlagen in Gewässer gelangen. Experten d
es
staatlichen Schwedischen Chemikalienamtes KEMI haben untersucht, wie
schnell Silberchlorid ausgewaschen wird: Bereits nach drei Wäschen
bei 40 Grad war in 7 von 16 Stoffproben mehr als die Hälfte des
Biozids entwichen.