Spitze der Unionsfraktion: Kein eigener Antrag zur Impfpflicht

Beim Thema Impfpflicht sorgen Äußerungen eines CSU-Abgeordneten für
Durcheinander. Nach einem Machtwort der Fraktionsführung rudert er
zurück. Ärzteorganisationen haben eine klare Meinung.

Berlin (dpa) - Die Spitze der Unionsfraktion hat klargestellt, dass
CDU und CSU im Bundestag derzeit keinen eigenen Gesetzesvorschlag für
eine Impfpflicht vorlegen werden. Die Fraktion arbeite aktuell nicht
an einem solchen Gesetzentwurf und auch nicht an einem Antrag für den
Bundestag, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der
Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), am Dienstag in
Berlin vor einer virtuellen Sitzung der Abgeordneten von CDU und CSU
am Nachmittag. Er wies damit entsprechende anderslautende Äußerungen
des CSU-Gesundheitspolitikers Stephan Pilsinger zurück.

Pilsinger hatte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt: «Unser
Ziel ist es, einen eigenen Unionsantrag auf den Weg zu bringen. Daran
arbeite ich mit anderen Gesundheits- und Rechtspolitikern unserer
Fraktion.» Weil der größte Teil der Covid-Intensivpatienten älter a
ls
50 Jahre sei, könne man mit einer Impflicht für alle ab 50-Jährigen
das Gesundheitssystem effektiv schützen und dennoch den
Freiheitseingriff für die Gesellschaft so gering wie möglich halten.»


Am Dienstag ruderte Pilsinger dann zurück und erklärte: «Ich werde
mich als Bundestagsabgeordneter an keiner interfraktionellen Gruppe
beteiligen oder einen eigenen Antrag einbringen.» Er erwarte von der
Bundesregierung, «dass sie einen rechtssicheren, durchsetzbaren und
kontrollierbaren Gesetzesvorschlag zur Einführung einer Impfpflicht
vorlegt. Die Union wird sich dann in der Debatte damit
auseinandersetzen und diesen bewerten.»

Frei hatte zuvor betont, die Unionsfraktion werde nicht die Arbeit
der Regierung übernehmen. «Wenn die Bundesregierung der Auffassung
ist, dass eine Impfpflicht ein Mittel ist, aus dieser Pandemie
herauszukommen, dann muss sie dafür auch einen Gesetzesvorschlag
vorlegen.» Mit Blick auf die Äußerungen Pilsingers räumte er ein, d
as
Bild der Unionsfraktion «hätte etwas geschlossener sein können».

Das Thema Impfpflicht sei «zunächst mal» auch keine
Gewissensentscheidung, ergänzte Frei. Diese gelte für die
Unionsfraktion in der Regel bei «Fragen von Leben und Tod» wie etwa
beim Thema eines assistierten Suizids. Zudem entscheide ein
Bundeskanzler nicht darüber, was Gewissensentscheidungen im Parlament
seien, sagte der CDU-Politiker mit Blick auf Olaf Scholz (SPD). «Es
reicht auch nicht, wenn der Abgeordnete Lauterbach einen Vorschlag
macht», ergänzte Frei vor dem Hintergrund einer entsprechenden
Ankündigung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Er sei grundsätzlich offen für eine Impfpflicht, sagte Frei.
Entscheidend sei aber, wie eine hohe Impfquote erreicht werden könne.
Zudem müsse eine Impfpflicht durchsetzbar sein. «Für eine Regelung,
die am Ende nicht durchsetzbar ist, wäre ich nicht zu haben.»

Die Union habe der Bundesregierung essenzielle Fragen zum Thema
bereits vor Weihnachten gestellt, aber keine Antwort darauf erhalten,
kritisierte Frei. Deswegen habe die Fraktion Ende vergangener Woche
eine kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, in der es etwa
darum gehe, wie einen Impfpflicht ausgestaltet werde, wie die exakte
Zielsetzung sei, wie die Pflicht durchgesetzt werden könne und ob es
ein Enddatum gebe. Die Bundesregierung müsse die Anfrage nun
innerhalb von zwei Wochen beantworten. Solange solche Fragen nicht
geklärt seien, könne die Unionsfraktion keinen Vorschlag machen.

SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese forderte die Union auf, für Klarheit in
den eigenen Reihen zu sorgen. Der «Rheinischen Post» (Mittwoch) sagte
er: «Derzeit weiß dort die eine Hand nicht, was die andere macht.»
Die Ministerpräsidenten der Union seien klar für eine Impfpflicht,
der designierte Parteichef Friedrich Merz laviere herum. «Dieses
Durcheinander ist diesem wichtigen Thema nicht angemessen.»

Kanzler Scholz hatte sich eine Impfpflicht Anfang Februar, spätestens
aber Anfang März gewünscht - doch daraus wird wohl nichts. Die SPD
strebt an, bis Ende März wenigstens den Gesetzgebungsprozess
abzuschließen; greifen würde sie dann - wenn sie kommt - erst später.

Der Prozess verzögert sich auch, weil die Bundestagsabgeordneten in
der auch ethisch heiklen Frage frei und unabhängig von ihren
Fraktionen entscheiden sollen. Anders als im sonst üblichen Verfahren
müssen sich Abgeordnete erst zu Gruppen mit gemeinsamer Position
zusammenfinden und entsprechende Anträge formulieren.

Die Vorsitzende der Ärzteorganisation Marburger Bund, Susanne Johna,
und der Präsident des Verbands Leitender Krankenhausärzte, Michael
Weber, sprachen sich in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» für eine
allgemeine Impfpflicht aus, Johna auch für eine zeitliche Befristung.