Verbraucherzentralen dringen auf gesündere Ernährung für Kinder

Was steckt im Kinder-Joghurt und anderen bunt bedruckten Packungen?
Verbraucherschützer und Mediziner monieren seit langem: Oft sind es
zu viel Zucker und Fett. Kommen bald strengere Beschränkungen?

Berlin (dpa) - Die Verbraucherzentralen dringen auf verbindliche
Vorgaben für eine gesündere Ernährung besonders bei Kindern. Der Chef

des Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, sagte der Deutschen
Presse-Agentur: «Es darf nicht zu Täuschungen kommen, dass Produkte,
die an Kinder gerichtet sind, Zucker-, Salz- und Fett-Bomben sind.
Darauf müssen sich Eltern verlassen können.» Pläne der neuen
Bundesregierung, Lebensmittelwerbung für Kinder zu beschränken, seien
dafür ein erster Schritt. Der zweite Schritt müsse sein, Ziele für
weniger Zucker, Fett und Salz in Rezepturen von Fertigprodukten
verbindlich festzulegen. Davon profitierten dann auch Erwachsene.

«Oft sieht man im Regal Produkte, die sich explizit an Kinder richten
- mit Comicfiguren und anderen Dingen, die man in Heften oder im
Fernsehen gesehen hat. Und der Griff danach liegt so nah», sagte
Müller. Leider sei die Erfahrung, dass viele solcher Produkte extrem
viel Zucker, Fett oder Salz beinhalteten. Krankenkassen und Ärzte
berichteten von dramatischer Fehlernährung und ernährungsbedingten
Krankheiten auch mit Kosten für das Gesundheitssystem. «Ein Hebel, an
dem man ansetzen muss, ist tatsächlich die Frage der Werbung.»

SPD, FDP und Grüne haben im Koalitionsvertrag vereinbart: «An Kinder

gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und
Salzgehalt darf es in Zukunft bei Sendungen und Formaten für unter
14-Jährige nicht mehr geben.» Müller verwies auf entsprechende
Nährwertkriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO). «Die werden
von der Lebensmittelwirtschaft aber nicht eingehalten.» Bemühungen
mit freiwilligen Vereinbarungen hätten nicht genug gefruchtet.

Ernährungsminister Cem Özdemir hat generell verbindliche
Reduktionsziele für Fertigprodukte angekündigt. Es sei zu lange
versucht worden, die Industrie mit freiwilligen Selbstverpflichtungen
dazu zu bewegen, hatte der Grünen-Politiker argumentiert.

Die Verbraucherzentralen pochen zugleich auf Klarheit bei Angaben auf
den Packungen. «Was drin ist, muss draufstehen, und was draufsteht,
muss drin sein», sagte Müller. Es sei nicht zumutbar, beim
Familieneinkauf noch nebenbei ein Lexikon zu wälzen oder im
Smartphone alles Mögliche nachzuschlagen. «Die gesunde Wahl muss die
einfache Wahl sein. Heute ist das noch nicht der Fall.»

Müller hob hervor, dass die alte Regierung das farbige Nährwertlogo
Nutri-Score auf den Weg gebracht hat. «Der nächste, auch schon in
Brüssel angekündigte Schritt muss nun sein, das System europaweit
verbindlich einzuführen.» Es müsse dabei auch wissenschaftlich
weiterentwickelt werden. «Im Moment wirkt sich ein geringer
Ballaststoffgehalt positiv auf den Nutri-Score aus.» Deshalb habe
Weizenmischbrot mitunter dieselbe Einstufung wie Vollkornbrot, obwohl
es im Vergleich weniger gut abschneiden müsste, hieß es zur
Erklärung. Es sollte geprüft werden, ob dies nicht angepasst werden
müsste. Ziel müsse sein, eine bessere Differenzierung zu ermöglichen.


Der Nutri-Score ist zusehends in den Supermärkten zu sehen, Anbieter
können es freiwillig nutzen. Das in Frankreich entwickelte System
bezieht neben Zucker, Fett und Salz auch empfehlenswerte Elemente wie
Eiweiß oder Anteile an Obst und Gemüse ein. Heraus kommt ein einziger
Gesamtwert, der in einer fünfstufigen Skala abgebildet wird: von «A»

auf dunkelgrünem Feld für die günstigste Bilanz über ein gelbes «

bis zum roten «E» für die ungünstigste.

Laut einer Civey-Umfrage für den Verband der Privaten
Krankenversicherung (PKV) sehen sich unter Eltern kleiner Kinder und
werdenden Eltern 80 Prozent gut zur gesunden Ernährung ihrer Kinder
informiert - 7 Prozent verneinten dies. «Die ersten 1000 Tage
entscheiden über ein gesundes Aufwachsen des Kindes», sagte
PKV-Expertin Julia Deipenbrock. «Doch werdende Eltern geraten auch in
Ernährungsfragen oft in einen Dschungel an Informationen, der häufig
mehr verwirrt als Klarheit schafft.» Befragt wurden den Angaben
zufolge 500 Menschen zwischen 18 und 49 Jahre, deren Kinder zwischen
0 und 4 Jahre alt sind oder die werdende Eltern sind.