Rekordumsatz im Einzelhandel - aber nicht alle Händler profitieren

Es klingt paradox: Trotz Corona-Einschränkungen erwirtschaftet der
Einzelhandel ersten Schätzungen zufolge einen Rekordumsatz. Doch vor
allem in den Innenstädten ist die Lage düster.

Wiesbaden (dpa) - Corona-Lockdown Anfang 2021, 2G-Regel im wichtigen
Weihnachtsgeschäft und Lieferengpässe: Die Pandemie und ihre Folgen
haben den Einzelhandel in Deutschland weiterhin im Griff. Zwar
erwirtschaftete die Branche im vergangenen Jahr nach einer ersten
Schätzung des Statistischen Bundesamtes vor allem dank des boomenden
Online-Handels einen Rekordumsatz. Den stationären Handel,
insbesondere Bekleidungs- oder Schuhgeschäfte, treffen die
Beschränkungen jedoch hart.

Nach Angaben des Handelsverbandes Deutschland (HDE) liegen in den von
Lockdown und Zugangsbeschränkungen betroffenen Bereichen die Umsätze
noch immer um bis zu 30 Prozent unter dem Niveau des Vorkrisenjahres
2019. «Die Not ist hier beispielsweise im stationären Textilhandel
nach wie vor groß. Die Bundesregierung muss deshalb rasche
Anpassungen bei den Corona-Hilfen vornehmen», forderte
HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth am Dienstag.

Der Schätzung der Wiesbadener Statistiker zufolge stieg der
Einhandelsumsatz im vergangenen Jahr bereinigt um Preiserhöhungen
(real) um etwa 0,9 Prozent und nominal um 3,1 Prozent im Vergleich
zum bislang umsatzstärksten Jahr 2020. Die Ergebnisse der ersten elf
Monate 2021 deuteten allerdings darauf hin, dass Teile des
stationären Einzelhandels - etwa mit Textilien, Bekleidung, Schuhen
und Lederwaren - auch im zweiten Corona-Jahr Umsatzeinbußen hinnehmen
mussten, erläuterte die Behörde.

Zum Start des wichtigen Weihnachtsgeschäfts im November stieg der
Einzelhandelsumsatz kalender- und saisonbereinigt nominal zwar leicht
zum Vorjahresmonat (plus 0,2 Prozent), real sank er allerdings um 2,9
Prozent. Als mögliche Ursachen für den realen Rückgang nannte das
Bundesamt Lieferengpässe sowie den starken Anstieg der
Einzelhandelspreise.

Der Handelsverband HDE, der die Branche ohne Kfz-Handel, Tankstellen,
Apotheken und Brennstoffe betrachtet, sprach mit Blick auf den
November von einem «insgesamt zufriedenstellenden Monat». Das
Weihnachtsgeschäft sei vor Einführung der 2G-Regel, nach der nur
Geimpfte und Genesene Zugang zu vielen Geschäften haben, recht gut
gelaufen.

Die bundesweite Einführung der 2G-Regel lies die Umsätze in Teilen
des stationären Handels demnach dann einbrechen. Einer jüngst
veröffentlichten HDE-Trendumfrage unter 750 Handelsunternehmen
zufolge blieben die Umsätze im stationären Nicht-Lebensmittel-Handel
in der Woche vor Weihnachten durchschnittlich um 35 Prozent hinter
dem Vorkrisenniveau zurück. Vor allem in den Innenstädten sei die
Lage weiterhin dramatisch.

Für das Gesamtjahr 2021 rechnet der HDE einschließlich des
Online-Handels aber weiterhin mit einem Umsatzplus von 1,5 Prozent
auf gut 586 Milliarden Euro. In den ersten elf Monaten habe der
Einzelhandel im engeren Sinn seine Erlöse zum Vorjahr um 1,6 Prozent
gesteigert. «Dabei machte insbesondere der Online-Handel große
Wachstumssprünge», erklärte HDE-Hauptgeschäftsführer Genth.

Neben den Beschränkungen zur Bekämpfung der Pandemie machen der
Branche wachsende Lieferprobleme zu schaffen. Nach Angaben des
Ifo-Instituts beklagten im Dezember 81,6 Prozent der Einzelhändler,
dass nicht alle bestellten Waren geliefert werden können. Im November
waren es noch 77,8 Prozent. «Der Einzelhandel wird gerade doppelt
belastet», sagte jüngst der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe.
«Händler können nicht alle Produkte anbieten. Und Kunden sind
angesichts der hohen Inzidenzen zurückhaltend beim Einkaufen.»

Nach Einschätzung der Deutsche-Bank-Fondstochter DWS dürfte die
Ausbreitung der Corona-Variante Omikron dem stationären Einzelhandel
noch einmal zusetzen. Anschließend sollte sich die Situation aber
entspannen und eine Normalisierung einsetzen. Die Beschäftigungslage
sei gut, die Kassen der meisten Haushalte seien gut gefüllt.