Ein Walzer auf der Alten Brücke in der zweiten Pandemie-Neujahrsnacht Von Eva Krafczyk und Sebastian Gollnow , dpa

Ungewöhnlich milde Temperaturen, und das zum Silvesterfest - das
zieht trotz Corona-Maßnahmen und vielen Feuerwerksverboten reichlich
Menschen in die Frankfurter Innenstadt. Die Polizei zeigt deutlich
Präsenz.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Vergleichsweise ruhig und überwiegend
friedlich - so beschreibt die Frankfurter Polizei am Samstag die
Neujahrsnacht in der Mainmetropole, die zweite während der
Corona-Pandemie. Im vergangenen Jahr war es in der Altstadt und im
Bahnhofsviertel noch auffallend leer gewesen und um Mitternacht
hatten sich eher wenige Menschen am Mainufer versammelt. Zum
Jahreswechsel 2021/2022 jedoch beschlossen viele Menschen, sich von
Corona, den Auflagen der Stadt und den Feuerwerkverboten an vielen
beliebten Versammlungsorten die Feierlaune nicht verderben zu lassen.

So herrscht auf dem Eisernen Steg, einer der beiden Fußgängerbrücken

zwischen der Altstadt und dem Sachsenhausener Mainufer, um 21 Uhr
abends ein Kommen und Gehen. Während Polizisten schon die ersten
Absperrgitter für die spätere Brückensperrung anschleppen, stehen
Paare und kleine Gruppen auf der Brücke, schauen auf die abendliche
Skyline und machen Selfies. Ein Straßenmusiker nutzt die Gunst der
Stunde und trommelt zur Musik aus dem mitgebrachten Ghettoblaster.

Auch der Mann, der mit einer Geige neben dem Weihnachtsbaum auf dem
Römerberg musiziert, findet viele Zuhörer - und einige, die die Musik
besonders genießen: Peter, Eva, Andrea und Jochen aus dem nahen Bad
Vilbel sind mit Bollerwagen, Klapptisch und Campingstühlen sowie
allerhand Utensilien nach Frankfurt gekommen, um unter freiem Himmel
stilvoll Silvester zu begehen. «Das haben wir uns so wegen Corona
zurecht geplant», sagt Peter. «Vorspeise an der Alten Oper, Hauptgang
am Römer und Dessert am Mainufer», verrät Andrea das Programm,
während die vier schon mal mit Piccoloflaschen anstoßen. «Sogar
Livemusik haben wir!», freut sich Eva mit Blick auf den Violinisten.

Für Sicherheit ist ebenfalls gesorgt, denn in der Stadt und am
Mainufer sind hunderte Polizisten unterwegs. Kein größerer Platz, an
dem nicht ein paar Kleinbusse der Polizei parken und Einsatzkräfte in
kleinen Gruppen herumstehen und darauf achten, dass die
Abstandsregeln weitgehend eingehalten bleiben.

Meist haben die Beamten aber einen ruhigen Dienst. Das Konzept,
massiv Präsenz zu zeigen, aber nicht gleich einzuschreiten, wenn die
Menschen mal ein bisschen enger stehen oder trotz Böllerverboten
geknallt wird, geht auf. Die Stimmung ist entspannt und friedlich,
auf beiden Seiten. «Da hatten wir schon ganz andere
Silvestereinsätze», sagt ein Polizist, der mit einer Kollegin an der
Hauptwache im Kleinbus sitzt und die Menschen auf der Zeil im Blick
hält. Eine offene Chipstüte und Kaffeebecher stehen zwischen ihnen.

Als kurz vor 22 Uhr am Eisernen Steg die bevorstehende
Brückensperrung durchgesagt wird, leert sich die Brücke schnell. Als
letzter packt der Straßenmusiker seine Trommel und zieht weiter in
Richtung Altstadt. Gelegentlich sind Sirenen zu hören, fahren
Polizei- und Feuerwerksfahrzeuge am Ufer entlang. Später heißt es,
brennende Mülltonnen, einige der Zwischenfälle der Silvesternacht,
seien der Grund dafür.

Liegt es an den milden, so gar nicht winterlichen Temperaturen? Viele
junge Leute sind in der Einkaufsstraße Zeil unterwegs, sitzen auf den
Bänken. Eine Gruppe junger Männer legt spontan ein Tänzchen ein. Vor

einem Club in der Zeil hat sich eine lange Schlange gebildet, eine
Mitarbeiterin kontrolliert Impf- und Testnachweise. Wer trotz 2G plus
ohne Test erschienen ist, wird noch einmal zu einem Testcenter
geschickt. Für Spontanbesucher gibt es keine Chance: «Alles
ausverkauft», sagt ein Club-Mitarbeiter am Eingang. Dabei muss die
Tanzfläche trotz Silvesternacht leer bleiben. «Aber die Leute dürfen

sich auf ihrem Platz bewegen», heißt es.

Kurz vor Mitternacht füllt sich die Alte Brücke zwischen Innenstadt
und Sachsenhausen. So richtig an Abstand ist jetzt nicht mehr zu
denken. Nur auf dem für Autos gesperrten Fahrstreifen ist reichlich
Platz. Auch die vier aus Bad Vilbel sind hierher weitergezogen und
haben mit ihrem Klapptisch einen Logenplatz gefunden. Peter trinkt
ein Bier, Eva und Andrea haben sich schon mal goldglitzernde
2022-Brillen aufgesetzt. Eine Discokugel in Tennisballformat und eine
Lichterkette sollen Partystimmung zaubern. Erste Böller krachen, im
Osten der Stadt sind die bunte Funken von Feuerwerksraketen am
Nachthimmel zu sehen.

Hunderte Menschen auf der Alten Brücke zählen gemeinsam laut den
Countdown für den Jahreswechsel zu 2022. Neujahrsgrüße werden
ausgetauscht, aus mitgebrachten Sektgläsern wird auf das neue Jahr
angestoßen oder fröhlich direkt aus der Flasche getrunken. Das
Feier-Quartett aus Bad Vilbel zeigt Lust auf ein bisschen Romantik,
allem Corona-Frust zum Trotz. Mit einem Walzer auf der Brücke
begrüßen sie das neue Jahr.

Auch andere, die unter freiem Himmel Silvester gefeiert haben, können
angesichts der Außenparty mit pandemiekonformen Abstand nur
anerkennen: Das hat was. «Frohes neues Jahr!», ruft ein junger Mann,
der mit seinen Freunden die Brücke verlässt. «Ihr seid ja so geil!»