Streit im TV: Weidels Aussage über Intensiv-Belegung Von Sebastian Fischer, dpa

Wie kommt Alice Weidel darauf, dass auf Intensivstationen häufiger
Geimpfte lägen als Ungeimpfte? Denn offizielle Zahlen zeigen das
Gegenteil. Auch ein Nachhaken bei der AfD-Politikerin bringt kaum
Erkenntnis.

Berlin (dpa) - Alice Weidel hat sich in einem TV-Interview in ein
turbulentes Wortgefecht verstrickt. Die AfD-Fraktionsvorsitzende
geriet mit ihrer Aussage über vermeintlich mehr Geimpfte als
Ungeimpfte auf deutschen Intensivstationen ins Kreuzfeuer der Kritik.
Nach ihrem Gespräch mit dem Fernsehsender Phoenix trendete jüngst auf
Twitter der Hashtag #WeidelLuegt. Worum geht es?

Behauptung: In dem Interview unter anderem über die Corona-Pandemie
sagt Weidel am Mittwoch auf die Aussage des Journalisten, in den
Krankenhäusern müssten überwiegend Ungeimpfte intensivmedizinisch
behandelt werden: «Das stimmt nicht.» Als Quelle nennt sie dabei
angebliche Daten des Statistischen Bundesamtes.

Bewertung: Mit Blick auf Covid-Patienten auf Intensivstationen ist
das falsch.

Fakten: Das Statistische Bundesamt (Destatis) reagierte schnell auf
Weidels Behauptung - und wies diese von sich: «Bei uns gibt es keine
Daten zum Impfstatus von Intensivpatientinnen und -patienten», hieß
es auf Twitter in Richtung der AfD-Politikerin. Von der Behörde
konnte sie ihre angeblichen Zahlen also nicht haben.

Eine konkrete Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, auf welche
Destatis-Daten sie sich beziehe, ließ die AfD-Politikerin
unbeantwortet. Vielmehr schrieb ihr Büro per Mail: «Fakt ist, dass
valide offizielle Zahlen nirgends vorliegen.» Zugleich allerdings
verwies der Pressesprecher auf die regelmäßig veröffentlichten Daten

des Robert Koch-Instituts (RKI).

Und die RKI-Angaben zu geimpften und ungeimpften Corona-Fällen auf
Intensivstationen zeigen klar: Nach RKI-Angaben mussten im November
(1. bis 28. November) in allen untersuchten Altersgruppen weniger
geimpfte als ungeimpfte Covid-Fälle dort behandelt werden.

Demnach waren unter den 18- bis 59-Jährigen von 598 Corona-Patienten
94 vollständig geimpft. Bei den Menschen ab 60 Jahren waren es 498
von 1119 Fällen. Alle anderen waren ungeimpft. Diese Daten erhebt das
RKI nur bei den Fällen, bei denen aus den übermittelten Angaben
hervorgeht, dass die Patienten entweder vollständig geimpft oder
ungeimpft waren.

Mit Blick auf den Anteil der Impfdurchbrüche in den höheren
Altersgruppen wurde in letzter Zeit teilweise behauptet, eine Impfung
nutze nichts. Doch das ist erstens wissenschaftlich widerlegt und
zweitens schon statistisch nicht richtig. Denn besonders bei älteren
Menschen ist die Impfrate höher im Vergleich zur Gesamtbevölkerung.
Statistisch gesehen bedeutet das: Je mehr Personen geimpft sind, umso
mehr Impfdurchbrüche sind zu beobachten.

Das heißt bezüglich der RKI-Daten: Während im November auf
Intensivstationen 44,5 Prozent der Corona-Patienten ab 60 Jahren
geimpft waren, hatten in dieser Altersgruppe insgesamt 87,9 Prozent
vollständigen Impfschutz. Bei den 18- bis 59-Jährigen waren in der
Gesamtbevölkerung 75,5 Prozent vollständig geimpft, auf
Intensivstationen 15,7 Prozent.

Das RKI hat aufgrund genau dieser Angaben methodisch geschätzt, dass
eine Impfung bei Patienten 60 plus zu mehr als 85 Prozent davor
bewahre, intensivmedizinisch behandelt werden zu müssen. Bei den 18-
bis 59-Jährigen lag dieser Impfschutz bei mehr als 90 Prozent.

Und dieser Trend ist auch nicht nur speziell für Intensivstationen
gültig, sondern genauso für Krankenhauseinweisungen und
symptomatische Corona-Fälle allgemein. Zum Beispiel schützte nach
methodischer RKI-Schätzung eine Impfung bei Erwachsenen um circa 66
Prozent davor, an Covid-19 zu erkranken und Symptome zu entwickeln.
Bei Jugendlichen lag dieser Wert im November bei etwa 90 Prozent.

Obwohl sich das Phoenix-Interview klar um die Corona-Pandemie und
Covid-Patienten drehte, argumentierte Weidels Pressesprecher später
gegenüber der Deutschen Presse-Agentur mit der Gesamtzahl der
Menschen auf Intensivstationen: «In jedem Fall sind es nicht
Covid-Patienten, egal ob geimpft oder ungeimpft, die die Mehrzahl der
Betten auf den Intensivstationen belegen.»

Klar ist, dass auch Menschen nach Herzinfarkten oder schweren
Autounfällen eine intensivmedizinische Betreuung brauchen. Nach
Angaben des «Intensivregisters» der Deutschen Interdisziplinären
Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) waren am
Donnerstag von den deutschlandweit knapp 20 000 Intensivbetten fast
5000 mit Covid-Patienten belegt.