UN-Kinderhilfswerk Unicef sieht schwerste Krise seit 75 Jahren

75 Jahre nach der Gründung am 11. Dezember 1946 in New York sieht
Unicef beispiellose Herausforderungen. Die Corona-Pandemie stürzt
weltweit Kinder in Armut. Auch in einem reichen Land wie Deutschland
offenbart die Pandemie Probleme.

Genf (dpa) - Die Corona-Pandemie hat nach einer Studie des
UN-Kinderhilfswerks Unicef weltweit zusätzlich 100 Millionen Kinder
in Armut gestürzt. Das seien innerhalb von weniger als zwei Jahren
zehn Prozent mehr seit 2019, berichtete die Organisation am
Donnerstag. Schon vor der Pandemie hatten eine Milliarde Kinder
weltweit nicht ausreichend Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung,
Unterkünften, Ernährung, sanitären Einrichtungen oder sauberem Wasser

gehabt. Eine solche Krise habe es in den 75 Jahren seit der Gründung
von Unicef am 11. Dezember 1946 in New York noch nicht gegeben.

«Das Zusammenspiel aus den sozialen Folgen der Pandemie, aus den
Auswirkungen von Klimawandel und Umweltbelastungen und gleichzeitig
lang anhaltenden komplexen Konfliktsituationen schafft im Moment eine
Krise mit vielen Dimensionen, die für Unicef tatsächlich in der
Bewertung heute die größte seit der Gründung ist», sagte der
Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider, der
Deutschen Presse-Agentur. Etwa eine Milliarde Kinder - jedes zweite
Kind weltweit - litten extrem unter den Folgen des Klimawandels.
Viele der Betroffenen lebten in Ländern südlich der Sahara, wo sich
Klimakrise, Pandemie und Konflikte überlagerten.

Unicef-Chefin Henrietta Fore sagte, es werde im besten Fall sieben
bis acht Jahre dauern, bis die Rückschläge in vielen Bereichen wieder
wettgemacht seien. Zeitweise seien in der Corona-Zeit wegen Lockdowns
1,6 Milliarden Kinder nicht zur Schule gegangen. Fast 80 Prozent des
Präsenzunterrichts sei im vergangenen Jahr ausgefallen. Nach neuesten
Schätzungen müssten 160 Millionen Minderjährige arbeiten, ein Anstieg

von 8,4 Millionen innerhalb von vier Jahren. Bis Ende 2022 könnten
weitere neun Millionen Minderjährige in die Kinderarbeit geraten.

Auch in Industrieländern wie Deutschland offenbart die Corona-Krise
aus Sicht von Unicef Probleme. Schneider forderte von der neuen
Bundesregierung in Krisen mehr Rücksicht auf Minderjährige. «Ich
glaube, wir können sagen, dass Meinung und Anliegen von Kindern und
Jugendlichen in Deutschland noch nicht ausreichend gehört werden -
das hat sich besonders während der Pandemie gezeigt», sagte er. Dies
habe sich unter anderem beim Thema Bildung gezeigt.

«Was wir uns von der Bundesregierung wünschen, ist ein kohärenterer
Blick über die Ressorts hinweg», so Schneider weiter. Dies fange an
bei Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz. Auch müssten
benachteiligte Kinder in der Gesellschaft noch gezielter mit
Leistungen unterstützt werden. Dazu sei die von der Ampel-Koalition
angestrebte Kindergrundsicherung ein richtiger Schritt. Sie soll vor
allem Familien mit wenig Geld entlasten und bisherige finanzielle
Unterstützungsleistungen wie das Kindergeld und Leistungen für Kinder
in Hartz-IV-Haushalten bündeln.