Gehäufte Impfdurchbrüche bei Johnson-&-Johnson - was steckt dahinter? Von Josefine Kaukemüller und Rachel Boßmeyer, dpa

Bei der Corona-Impfung mit dem Impfstoff von Johnson-&-Johnson
braucht es nur einen Pieks. Immer mehr Impfdurchbrüche schüren nun
aber die Sorge, dass das für sicheren Impfschutz nicht reicht.

Berlin/Paris (dpa) - Geimpft und trotzdem an Corona erkrankt? Das ist
zwar selten, trotzdem kommt es vor. Auffällig hoch ist die Zahl
sogenannter Impfdurchbrüche beim Impfstoff von Johnson-&-Johnson -
nicht nur hierzulande. Dem aktuellen Wochenbericht des Robert
Koch-Instituts (RKI) zufolge wurden bislang 39 228 wahrscheinliche
Impfdurchbrüche festgestellt - relativ betrachtet am häufigsten nach
einer Impfung mit dem Johnson-&-Johnson-Vakzin. Immer lauter wird die
Kritik: Ist das Mittel, vor allem auch gegen die dominante
Delta-Variante, weniger wirksam?

Bislang erkrankten dem Wochenbericht zufolge in 6106 Fällen Menschen
trotz vollständigem Impfschutz durch das Johnson-&-Johnson-Präparat.
Laut RKI haben bislang gut drei Millionen Menschen eine
Johnson-&-Johnson-Impfung bekommen. Auf eine Million Geimpfte kämen
demnach grob überschlagen 2000 Impfdurchbrüche. Allerdings ist bei
dieser Art von Rechnung zu bedenken, dass noch nicht bei allen
Geimpften die zwei Wochen vergangenen sind, nach denen von einem
vollständigen Impfschutz ausgegangen wird. Zudem ist nicht
berücksichtigt, wie lange die Impfung im Einzelfall schon
zurückliegt.

Zum Vergleich: Bei Menschen, die als zweite Dosis den am häufigsten
in Deutschland verwendeten Impfstoff - Biontech/Pfizer - erhalten
haben, wären es diesen Zahlen zufolge rund 675 Durchbrüche pro eine
Million vollständig Geimpfte. Bei Astrazeneca sind es rund 830, bei
2. Dosis Moderna sind es rund 400.

Einen wahrscheinlichen Impfdurchbruch definiert das RKI als
Corona-Infektion mit klinischer Symptomatik trotz vollständigem
Impfschutz.

Das Vakzin von Johnson-&-Johnson ist der einzige bisher in der EU
zugelassene Corona-Impfstoff, bei dem es laut EU-Arzneimittelbehörde
(EMA) nur eine Dosis braucht. Bei allen anderen Vakzinen sind zwei
Spritzen nötig.

Johnson-&-Johnson ist deshalb in den vergangenen Monaten verstärkt
für Menschen genutzt worden, die nur schwer für eine zweite Impfung
zu erreichen sind; etwa bei Einsätzen mobiler Impfteams, um
Wohnungslose oder Menschen in sozialen Brennpunktvierteln zu
immunisieren. In Deutschland ist das Vakzin von der Ständigen
Impfkommission (Stiko) nur für Menschen über 60 empfohlen.

Die Impfdurchbrüche erklärt Carsten Watzl, Generalsekretär der
Deutschen Gesellschaft für Immunologie: «Delta ist ansteckender als
Alpha und etwa doppelt so ansteckend wie das Ursprungsvirus.
Zusätzlich umgeht Delta den Immunschutz der Impfungen etwas. Daher
sehen wir mit Delta auch mehr Durchbruchsinfektionen.» Dass der
Impfstoff von Johnson-&-Johnson hier im Vergleich mit den anderen
Präparaten schlechter abschneide, liege vor allem an der
Schutzwirkung des Impfstoffs selbst, sagt Watzl der Deutschen
Presse-Agentur.

Nach der Impfung mit dem Mittel brauche es länger als nach den
mRNA-Impfungen, bis sich ausreichend Antikörper gebildet hätten.
«Teilweise steigen die Spiegel mehr als einen Monat nach der Impfung
noch an.» Man gelte jedoch 14 Tage nach der Impfung als vollständig
immunisiert und eine Infektion würde als Durchbruchsinfektion
gewertet. «Zu dem Zeitpunkt ist man aber noch nicht vollständig durch
die Johnson-&-Johnson-Impfung geschützt. Und die Antikörperspiegel
liegen deutlich unterhalb derer, die durch die anderen Impfstoffe
erzeugt werden», erklärt Watzl.

Da die Antikörper, gerade auf den Schleimhäuten, für einen
Ansteckungsschutz wichtig seien, scheine der Schutz vor einer
Corona-Infektion nach der Johnson-&-Johnson-Impfung deutlich
schlechter, so der Experte.

Reicht die Einmaldosis von Johnson-&-Johnson also nicht aus? Es sei
alles andere als überraschend, dass bei einem solchen Impfstoff eine
einmalige Dosis nur einen zeitlich limitierten Schutz auslöse, meint
Stiko-Mitglied Christian Bogdan.

Die Impfdurchbrüche seien zum einen auf das Ein-Dosis-Impfschema
zurückzuführen - und nur für dieses habe die Firma bislang eine
Zulassung, so Bogdan. Zum anderen entwickelten die Über-60-Jährigen,
bei denen das Vakzin in Deutschland aufgrund seines
Nebenwirkungsprofils primär angewendet werde, wiederum nach Impfungen
im Vergleich zu jungen Menschen eine geringere und weniger lang
anhaltende Immunantwort. Als dritter Faktor komme dann aber auch noch
die hochinfektiöse Delta-Variante hinzu, sagt Bogdan.

Auch beispielsweise in Frankreich gibt es derweil Hinweise dafür,
dass der Johnson-&-Johnson-Impfstoff weniger wirksam sein könnte.
Krankenhäuser in Marseille und Tours berichteten zuletzt, dass
auffallend viele Geimpfte auf der Intensivstation das Präparat von
Johnson-&-Johnson erhalten hatten. In Marseille waren es mit Stand
Dienstag vier von elf Eingelieferten, in Tours drei von neun.

Insgesamt infizierten sich in Frankreich seit Beginn der Impfungen
mit dem Johnson-&-Johnson-Impfstoff Ende April etwa 32 von gut einer
Million mit dem Präparat geimpften Menschen mit Covid-19. Frankreichs
Medikamentenbehörde spricht in diesem Zusammenhang von
«Impfversagen». Die Zahl sei potenziell ein Signal. In den 17 Fällen,

bei denen die Virusvariante bekannt ist, hatten sich Menschen mit
Delta angesteckt, hieß es in einem Bericht.

Mit Blick auf die aufkeimende Diskussion, ob folglich eine zweite
Impfdosis empfohlen oder vorgeschrieben werden müsste, erklärt
Stiko-Mitglied Bogdan, dass die Firma aktuelle Studien zur Impfung
mit dem Vakzin in einem Zwei-Dosis-Schema durchführe. Publizierte
Ergebnisse in begutachteten Fachjournalen lägen aber noch nicht vor.

Dennoch: Immunologe Watzl stellt klar, dass der
Johnson-&-Johnson-Impfstoff vor einer schweren Corona-Erkrankung sehr
wohl schützt. Eine Sprecherin des Pharma-Riesen Johnson-&-Johnson
sagt, dass kein Corona-Impfstoff derzeit Infektionen zu 100 Prozent
verhindern könne. «Unser zugelassener Covid-19-Impfstoff als
Einmaldosis kann jedoch nachweislich dazu beitragen, das
Infektionsrisiko zu verringern und schwere Verläufe zu vermeiden»,
betont sie. Für die Einmal-Dosis-Impfung wiesen Daten auf eine
robuste und langanhaltende Wirkung über einen Zeitraum von bisher
gemessenen acht Monaten hin - auch gegen Delta und andere
Virus-Varianten.

Eine Sprecherin der EMA betont ebenfalls, dass generell alle in der
EU zugelassenen Impfstoffe ein hohes Maß an Schutz gegen das Virus
böten. Das Johnson-&-Johnson-Vakzin habe in klinischen Studien einen
hervorragenden Schutz vor schweren Erkrankungen gegen die
Beta-Variante gezeigt, obwohl der Schutz vor leichten Erkrankungen
geringer sei. Um ein endgültiges Urteil über die Wirksamkeit des
Impfstoffs auch gegen die Delta-Variante zu fällen, seien die Zahlen
der jüngsten Studien aber noch zu gering, wendet sie ein.

In Frankreich empfiehlt die Gesundheitsbehörde mittlerweile nach
einer Impfung mit Johnson-&-Johnson eine Auffrischungs-Impfung mit
einem mRNA-Impfstoff. Die vorhandenen Daten könnten die langfristige
Wirkung der Einmalimpfung gegen Delta nicht bestätigen.

Laut Watzl haben auch die Gesundheitsminister in Deutschland eine
Empfehlung herausgegeben, dass alle mit dem Impfstoff von
Johnson-&-Johnson (und auch Astrazeneca) geimpften Menschen nach
sechs Monaten mit einem mRNA-Impfstoff geimpft werden. «Immunologisch
macht das absolut Sinn, da wir bereits wissen, dass so eine
Kreuzimpfung wunderbar funktioniert und einen sehr guten Schutz
gibt», so Watzl. Offiziell angeboten werden diese
Auffrischungs-Impfungen aber noch nicht.

Von Seiten der EMA-Sprecherin heißt es dazu: Vor Empfehlung einer
Kreuzimpfung bei dem Vakzin müssten noch entsprechende Daten
ausgewertet werden. Man erwarte aber, dass sich ein solches als
heterolog bezeichnetes Impfschema auch beim
Johnson-&-Johnson-Impfstoff als geeignet entpuppen werde.