Handel- und Tourismusverband finden neue Corona-Verordnung zu streng

Die Alternative wäre wieder «Lockdown», argumentiert der
Sozialminister. Doch die Wirtschaft sieht Mängel in der neuen
Corona-Verordnung und verweist auf Schleswig-Holstein.

Stuttgart (dpa/lsw) - Handel und Touristikgewerbe haben die neue
Corona-Verordnung in Baden-Württemberg als teilweise zu streng und
nicht praxistauglich kritisiert. In der sogenannten Alarmstufe seien
die Vorgaben ein schwerer Schlag für die ohnehin schon gebeutelten
Händlerinnen und Händler im Land, teilte ein Sprecher des
Handelsverbands am Donnerstag in Stuttgart mit. Man begrüße es aber,
dass es in der Warnstufe keine Einschränkungen für den Handel gibt.

Die Kontrollpflicht für den Einzelhandel sei dagegen weder finanziell
noch personell zu stemmen, hieß es. Der Verband verweist auf den
Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), der
davon gesprochen habe, dass die 3G-Regel im Einzelhandel oder auch im
Öffentlichen Nahverkehr nicht praktikabel sei. Es sei unverständlich,
dass die baden-württembergische Landesregierung hier eine andere
Auffassung vertrete, teilte die Hauptgeschäftsführerin Sabine Hagmann
mit. Die Kontrollpflicht müsse in öffentlicher Hand bleiben.

Auch der Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertag
(BWIHK) äußerte Unmut. Martin Keppler, Hauptgeschäftsführer der IHK

Nordschwarzwald, bemängelte, dass es schon in der Warnstufe große
Ungleichbehandlungen der einzelnen Branchen gebe. «Wie sollen wir
diesen Flickenteppich unseren Mitgliedern aus Handel, Gastronomie,
Dienstleistung oder Freizeitwirtschaft nachvollziehbar
verdeutlichen?»

Im Südwesten gelten seit diesem Donnerstag strengere Corona-Regeln.
Die Warnstufe wird ausgerufen, sobald 250 Intensivbetten mit
Covid-19-Patienten belegt sind oder 8 von 100 000 Einwohnern
innerhalb von sieben Tagen mit Corona-Symptomen in eine Klinik
gebracht wurden. Dann haben Ungeimpfte nur noch mit negativem
PCR-Test Zugang zu bestimmten öffentlichen Bereichen. Ein Antigentest
reicht nicht mehr.

Stufe drei - die Alarmstufe - gilt, sobald 390 Covid-19-Patienten auf
Intensivstationen behandelt werden oder die sogenannte
Hospitalisierungsinzidenz bei 12 liegt. Dann haben Ungeimpfte gar
keinen Zutritt mehr zu Restaurants, Kultur- und Sportveranstaltungen.
Ob die Nachweise von Geimpften, Genesenen oder Getesteten vorliegen,
müssen die Händler selbst kontrollieren.

Gesundheitsminister Manfred Lucha verteidigte die Verordnung erneut
gegen Kritik. «Die Alternative wäre wieder Lockdown - und Lockdown
kann niemand mehr wollen in einer Gesellschaft, in der fast zwei
Drittel geimpft sind», sagte der Grünen-Politiker im SWR. Es gebe
klare Ansagen aus der Medizin, wie die Pandemie bekämpft werden
könne. Deshalb müsse man sich an die Regeln halten: «Wer immer gerne

140 km/h fahren würde, weil er 200 PS im Auto hat, muss sich trotzdem
an Gesetze halten.»

Derweil macht sich Baden-Württemberg für eine bundesweite Testpflicht
von Beschäftigten und Selbstständigen ohne Impf- oder
Genesenennachweis stark, wenn sie im Publikumsverkehr tätig sind.
Kundinnen und Kunden sowie Besucherinnen und Besucher müssten in fast
allen Innenräumen etwa der Gastronomie, in Kultureinrichtungen oder
Fitnessstudios einen Nachweis über Impfung, Test oder Genesenenstatus
vorlegen, heißt es in einem Antrag Baden-Württembergs für die
Gesundheitsministerkonferenz. «Für Beschäftigte der jeweiligen
Branchen gelten jedoch weiterhin keine 3G-Pflichten», so der Antrag.
Eine entsprechende Regelung wurde für das Land bereits beschlossen.