Sozialverband fordert von neuer Bundesregierung höheres Pflegegeld

Die meisten pflegebedürftigen Menschen werden zu Hause von ihren
Angehörigen versorgt. Der Sozialverband VdK macht nun Druck für eine
bessere finanzielle Absicherung - und droht mit dem Gang nach
Karlsruhe.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Der Sozialverband VdK macht Druck für eine
rasche Erhöhung des Pflegegeldes durch die künftige neue
Bundesregierung. Die Stärkung vor allem der häuslichen Pflege müsse
gleich in den ersten zwei Jahren der neuen Legislaturperiode geregelt
werden, sagte VdK-Vizepräsident Horst Vöge, am Donnerstag in
Düsseldorf. «Uns fehlt einfach das höhere Pflegegeld.» Die Erhöhu
ng
sei zwar zur letzten Pflegereform im Juni geplant gewesen, dann aber
zugunsten von stationären Einrichtungen gestrichen worden. Es gehe um
eine Summe von 1,8 Milliarden Euro.

Notfalls werde der VdK bis zum Bundesverfassungsgericht ziehen, um
die Erhöhung des Pflegegeldes einzuklagen, sagte Vöge. Das Pflegegeld
- beim höchsten Pflegegrad derzeit maximal 901 Euro im Monat - wird
der pflegebedürftigen Person von der Pflegekasse überwiesen. In der
Regel wird das Geld an die betreuenden Personen weitergegeben

Auch bei der Rente müssten pflegende Angehörige besser abgesichert
werden, sagte Vöge. Pflege dürfe nicht arm machen. In der zweiten
Hälfte 2022 plant der VdK eine bundesweite Kampagne, um auf die
Situation in der Pflege und auf Missstände aufmerksam zu machen.

In NRW waren nach Zahlen des Statistischen Landesamts von Ende 2019
etwa 965 000 Menschen pflegebedürftig. Der VdK geht davon aus, dass
es inzwischen mehr als eine Million sind. Rund 795 000
Pflegebedürftige in NRW werden demnach zu Hause versorgt und etwa
170 000 in Heimen. Mehr als eine halbe Million der pflegebedürftigen
Menschen werden zu Hause nur von ihren Angehörigen gepflegt - ohne
professionelle Hilfe von Pflegediensten.

Der VdK fordert auch eine Pflegezeit analog zur Elternzeit, also
einen Rechtsanspruch auf eine teilweise oder vollständige
Freistellung von der Arbeit. Wie beim Elterngeld sollten auch
pflegende Angehörige in dieser Zeit einen Lohnersatz erhalten.
Generell setzt sich der Sozialverband seit langem für eine
steuerfinanzierte Pflegevollversicherung ein.

Als Lehre aus der Corona-Krise Pandemie sollte in NRW ein Notfallplan
für künftige Pandemien aufgestellt werden, so Vöge, der auch
VdK-Landesvorsitzender Nordrhein-Westfalen ist. Im
bevölkerungsreichsten Bundesland seien in den Kommunen und
Gesundheitsämtern die Bedingungen in Pflegeheimen und der häuslichen
Pflege sehr unterschiedlich gewesen.

Nach einer Studie zusammen mit der Hochschule Osnabrück zur
häuslichen Pflege in Corona-Zeiten hatten pflegende Personen und
Pflegebedürftige die größte Angst davor, sich selber mit dem
Coronavirus zu infizieren. In 35 Prozent der Pflegehaushalte mussten
Unterstützungsangebote abgesagt werden - entweder aus Angst vor
Ansteckung oder weil zum Beispiel Tagespflegeeinrichtungen
geschlossen wurden oder die Anbieter keine Kapazität mehr hatten.
Gerade in der Corona-Zeit sei auch die Kurzzeit- und
Verhinderungspflege «äußerst mangelhaft» gewesen, sagte Vöge.

Etwa die Hälfte der Befragten (56 Prozent) hätten die Belastungen
durch die Pflege in der Corona-Zeit als sehr viel höher eingeschätzt,
sagte Manuela Anacker, Pflege-Expertin beim VdK NRW. Dazu sei die
Einsamkeit gekommen. «Viele haben sich zu Hause richtig eingebuddelt
und eingeigelt, hatten keine Kontakte mehr nach draußen und haben
niemanden mehr reingelassen», sagte Anacker. «Einsamkeit macht krank.
Man wird auch schneller pflegebedürftig. Es macht psychisch und
physisch krank.»

Bundesweit hatten 56 000 Menschen an der Studie teilgenommen, davon
mehr als 12 000 aus NRW. Der Befragungszeitraum erstreckte sich von
Februar bis Mitte April dieses Jahres, als die Corona-Schutzimpfungen
für alte Menschen gerade in Gang kamen.