Nach lautem Protest: Senat will nun doch 2G-Ausnahme für Kinder

Die neue Regelung für Zugangsrechte von Geimpften und Genesenen bei
Veranstaltungen oder in der Gastronomie ist noch keine 24 Stunden
alt, da wird sie schon wieder geändert.

Berlin (dpa/bb) - Angesichts breiten Protests wird das erst am
Dienstag vom Berliner Senat beschlossene Corona-2G-Optionsmodell etwa
für die Gastronomie oder Veranstaltungen um Ausnahmen für Kinder
ergänzt. Die Gesundheitsverwaltung und Vertreter der rot-rot-grünen
Koalition kündigten am Mittwochmorgen an, dass sich der Senat im
Tagesverlauf auf eine entsprechende Regelung verständigen wolle.

Es gehe um «die übergangsweise Erweiterung des 2G-Optionsmodells um
Kinder unter 12 Jahren, bis die Impfung dieser Kinder möglich ist»,
hieß es aus der Gesundheitsverwaltung. Aus Koalitionskreisen hieß es,
dass es auch Ausnahmen für Menschen geben soll, die sich aus
medizinischen Gründen nicht gegen Corona impfen lassen können.

Am Dienstag hatte der von SPD, Linke und Grünen getragene Senat
entschieden, dass ab Samstag in etlichen Bereichen Betreiber selbst
entscheiden können, ob sie den Zutritt zu Innenräumen wie bisher
Geimpften, Genesenen und Getesteten (3G) erlauben oder unter Wegfall
etwa der Maskenpflicht und mit mehr Teilnehmern nur noch Geimpften
und Genesenen (2G). Dass es bei 2G keine Ausnahme insbesondere für
Kinder unter zwölf geben sollte, stieß auf breite Kritik - diese
können derzeit gar nicht geimpft werden.

Die SPD-Spitzenkandidatin für die Wahl zum Abgeordnetenhaus,
Franziska Giffey, forderte am Mittwoch auf Twitter, die Entscheidung
des Berliner Senats müsse korrigiert werden. Kinder unter zwölf und
ihre Familien würden so massiv bei der Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben benachteiligt. SPD-Fraktionschef Raed Saleh argumentierte
ähnlich. «Bei allem Verständnis für die Positionen in Kultur und
Wirtschaft, aber der Komfort in diesen Bereichen darf nicht auf
Kosten unserer Kinder gehen.»

Kultursenator und Linke-Spitzenkandidat Klaus Lederer, der bei der
Senatssitzung am Dienstag dabei war, teilte auf Twitter mit: «Ich bin
sehr dafür, unsere Verordnung in Berlin so zu formulieren, dass
Kinder auch bei 2G-Regelungen nirgends außen vor bleiben, so wie
@ElkeBreitenbach und ich das gestern thematisiert haben.» Breitenbach
(Linke) ist Sozialsenatorin. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop übte
Selbstkritik: «Gestern ist auch mir ein Fehler unterlaufen. Ich habe
versäumt auf Ausnahmen für Kinder unter 12 Jahren bei der #2GRegel zu
drängen», twitterte sie.

Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch kritisierte,
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) habe sich in diesem Punkt
verrannt. «2G ist eine gute Option, aber nur plus Kinder und
Menschen, die nicht geimpft werden können.» Auch die Grünen-Fraktion

im Abgeordnetenhaus verlangte Ausnahmen. «Kinder haben in der
Corona-Pandemie auf so vieles verzichten müssen, das für ihr
Aufwachsen essenziell ist», so die Vorsitzenden Antje Kapek und Silke
Gebel. Nachbesserungen hatte auch das Kinderhilfswerk gefordert.

Dass es aus der Koalition derart massive öffentliche Kritik am Senat
gibt und sich selbst Senatoren praktisch gegen das stellen, was sie
wenige Stunden zuvor selbst mitgetragen haben, ist ungewöhnlich. Aus
Koalitionskreisen hieß es dazu, im Senat sei über das Thema nicht
formal abgestimmt worden. Vielmehr - und das sei bei vielen Themen
durchaus üblich - habe der Regierende Bürgermeister Michael Müller
(SPD) die Debatte in der Runde zusammengefasst, das sei dann
mitgetragen worden.

CDU-Spitzenkandidat und Landeschef Kai Wegner verlangte vom Berliner
Senat augenzwinkernd eine «1D2H-Regel»: «Erst-Denken-Dann-Handeln.»

In der Tat dürfte es sich bei 2G ohne Ausnahmen um die
Senatsentscheidung mit der kürzesten Lebensdauer in dieser
Legislaturperiode handeln.

«Es war klar, dass wir mit der Regelung verklagt werden», sagte ein
hochrangiger Vertreter der Koalition der Deutschen Presse-Agentur.
«Gut, dass nun nachgebessert wird.» Aus Senatskreisen hieß es auch,
man sehe ein, dass die Entscheidung vom Dienstag ein Fehler gewesen
sei. «Das Wichtigste ist aber, dass wir das nun schnell korrigieren.»
Die Hoffnung in der Koalition ist, das unangenehme Thema wenige Tage
vor der Abgeordnetenhauswahl am 26. September schnell abzuräumen,
statt noch lange und quälende Debatten zu führen.