Hinterbliebenen von Germanwings-Absturz droht Prozess-Niederlage

Hamm (dpa) - Im Berufungsverfahren um zusätzlichen Schadenersatz für
die Hinterbliebenen der Germanwings-Katastrophe vor mehr als sechs
Jahren deutet sich eine Entscheidung zugunsten der Konzern-Mutter
Lufthansa an. In der mündlichen Verhandlung am Dienstag vor dem
Oberlandesgericht Hamm machten die Richter deutlich, man neige dazu,
der «recht klaren Urteilsbegründung» der Vorinstanz in wesentlichen
Punkten folgen.

Das Landgericht hatte 2020 die Schmerzensgeldklage abgewiesen,
mehrere Hinterbliebene hatten Berufung eingelegt. Nach der mündlichen
Verhandlung in Hamm zogen sich die Richter zur Beratung zurück und
wollten noch am Abend eine Entscheidung verkünden.

Am 24. März 2015 hatte den Ermittlungen zufolge der früher unter
Depressionen leidende Co-Pilot das Flugzeug in den französischen
Alpen absichtlich gegen einen Berg gesteuert. Dabei kamen alle 150
Insassen ums Leben.

Die Hinterbliebenen, die bei dem Absturz ihre Angehörigen verloren,
halten die bislang gezahlten Entschädigungen der Lufthansa nicht für
ausreichend und verlangen mindestens zusätzliche 30 000 Euro pro
Todesfall von der Lufthansa. Sie werfen der Fluggesellschaft
Versäumnisse bei den flugmediznischen Untersuchungen des Co-Piloten
vor. So seien die Fliegerärzte nicht gründlich genug gewesen und
hätten Hinweise auf die depressive Vorerkrankung des Mannes
ignoriert. «Wenn die Mediziner ihre Aufgabe ernst genommen hätten,
wäre der Unfall höchstwahrscheinlich nicht passiert», sagte
Rechtsanwalt Elmar Giemulla am Rande der Verhandlung.

Das Landgericht Essen hatte 2020 die Klage der Hinterbliebenen unter
anderem mit der Begründung abgewiesen, dass die medizinische
Überwachung eine hoheitliche Aufgabe des Staates sei und nicht in den
Verantwortungsbereich der Fluggesellschaft falle. Insofern sei die
Lufthansa nicht der richtige Adressat für die
Schmerzensgeldforderungen. Außderem seien die erlittenen Schäden der
Hinterbliebenen nicht für jeden Einzelfall konkret genug dargestellt
worden, um einen Anspruch zu begründen.