Klinik-Chef kritisiert Anreizsysteme - «realistische Zahl» in Hessen

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Der Chef von Hessens größtem Krankenhaus
sieht Anreizsysteme in der Gesundheitspolitik kritisch. «Jedes
System, das Anreize bietet, führt auch dazu, dass aus Anreizen
Fehlanreize werden können», sagte Prof. Jürgen Graf, Ärztlicher
Direktor des Universitätsklinikum Frankfurt und Leiter des Planstabs
stationäre Versorgung am hessischen Gesundheitsministerium der
Deutschen Presse-Agentur.

Hintergrund sind Vorwürfe, dass Kliniken in der Corona-Krise zu viel
Ausgleichszahlungen erhalten haben. Sie bekamen Geld für verschobene
Eingriffe, um freie Kapazitäten für Covid-19-Patienten zu schaffen.
Der Bundesrechnungshof sprach von einer «massiven Überkompensation
aus Steuermitteln».

«Wenn das Krankenhaus für die Behandlung einer Erkrankung je nach
Verfahren oder Behandlungsmodus entweder ein Defizit generiert oder
aber Gewinn macht, dann ist das unglücklich», sagte Graf. Finanzielle
Anreize könnten dann die medizinische Entscheidung beeinflussen. «Der
Anreiz sollte doch sein, die beste Qualität für die Patienten bei
geringstmöglichem Ressourcenbedarf zu erreichen.»

Ein weiterer Vorwurf lautet, Kliniken hätten falsche Angaben bei der
Zahl der Intensivbetten gemacht. Da ein nicht genutztes Intensivbett
mehr Geld koste als ein nicht genutztes Bett auf einer Normalstation,
und Vorhaltung nicht finanziert wird, «könnte der Gedanke nahe
liegen, eine vorhandene Kapazität zu nutzen».

In Hessen seien von Anfang an nur Intensivbetten für die Planung
berücksichtigt worden, wenn sie auch betriebsbereit waren - also etwa
ausreichend Personal vorhanden war. «Deswegen hatten wir in Hessen
immer eine sehr realistische Zahl von Intensivbetten. Zumindest in
Hessen kann ich mir deshalb nicht vorstellen, dass hier von den
Kliniken bewusst falsche Angaben gemacht worden sind», sagte Graf.