Virologe Streeck: Pandemie ist nicht zu Ende - Politik zu reaktiv

Berlin (dpa) - Der Bonner Virologe Hendrik Streeck hält das
schrittweise Vorgehen bei Lockerungen von Corona-Auflagen für
angemessen. «Ich sehe es als richtig an, dass man in Babyschritten
vorwärts geht und schaut, was verantwortbar ist und wie sich die
Zahlen entwickeln», sagte Streeck der «Fuldaer Zeitung» (Samstag).
Man sei nicht am Ende der Pandemie.

Der Virologe beklagte, die Politik sei immer noch zu reaktiv und
nicht aktiv genug. «Wir versäumen es, aus der Pandemie maximal zu
lernen und uns auf Herbst und Winter vorzubereiten. Es herrscht
allgemein der Eindruck, das Virus verschwindet und dass wir die
Pandemie überwunden haben, wenn die nächsten Monate ruhig laufen»,
sagte Streeck. Man müsse sich aber für alle Eventualitäten, die im
Herbst eintreten könnten, vorbereiten. Es gebe zu viele ungeklärte
Unbekannte, etwa die Delta-Virusvariante, über die man noch zu wenig
wisse.

Die Debatte über diese Variante gehört für Streeck in die Virologie
und Epidemiologie, nicht aber in die öffentliche Diskussion. «Was wir
wissen: Unsere Maßnahmen und zum Glück auch die Impfstoffe wirken
genauso gut gegen die Varianten. Alle Schreckensmeldungen und
Warnungen erzeugen beim Bürger nur unnötige Angst», mahnte Streeck.


Der Virologe plädierte für einen Interdisziplinären Pandemierat, der

jetzt schon Planspiele mache. «Mein Plädoyer ist, dass wir in einen
vorwärtsgewandten Modus kommen, dass wir anfangen, diese Pandemie
anders zu denken - und zwar so, dass möglichst alles offenbleiben
kann», sagte Streeck. Er sprach sich zugleich dafür aus, dass bei
niedrigen Inzidenzen Corona-Schnelltests nicht mehr verpflichtend
sind und warb für einen Sommer-Winter-Modus bei der Maskenpflicht.
Eine Maskenpflicht draußen sei im Sommer und im Winter wenig
zielführend. In Innenräumen müsse man dies differenzierter sehen.