Zuversicht bei Reisen und Impfen - Sorge vor Delta-Variante Von Jörg Ratzsch, Ulrike von Leszczynski und Sascha Meyer, dpa

Zum Start in den zweiten Pandemie-Sommer entspannt sich die Situation
weiter, auch für Ferienplanungen vieler Menschen. Die Impfungen haben
eine markante Schwelle erreicht. Aber da sind auch neue Risiken.

Berlin (dpa) - Reisen in weitere Urlaubsziele werden einfacher, jeder
Zweite in Deutschland hat jetzt mindestens eine erste Impfung. Trotz
der entspannteren Corona-Lage werben Bundesregierung, Wissenschaftler
und Ärzte aber weiter für Vorsicht in der Pandemie. «Das kann ein
guter Sommer werden», sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am
Freitag in Berlin. Es gebe Anlass zur Zuversicht - vor allem, wenn
alle aufmerksam blieben. Sorgen bereitet eine schnellere Ausbreitung
der ansteckenderen Delta-Variante des Coronavirus. Auch das Robert
Koch-Institut (RKI) mahnte, weiter auf Masken und Abstand zu achten.

«Das Virus ist nicht verschwunden. Lassen Sie uns die Erfolge nicht
leichtfertig verspielen», sagte RKI-Präsident Lothar Wieler. «Lassen

Sie uns auch die wiedergewonnene Freiheit erhalten, indem sich immer
mehr Menschen vollständig impfen lassen.» Bundesweit ist die Zahl der
Neuinfektionen je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen nach jüngsten
RKI-Zahlen weiter gesunken - auf nun 10,3 nach 18,6 vor einer Woche.
Die Hälfte der 16 Bundesländer liegt demnach unter 10, die Spanne
reicht von 3 in Mecklenburg-Vorpommern bis 16 in Baden-Württemberg.

LEICHTERER URLAUB: Vor den Sommerferien in den ersten Bundesländern
werden Reisen in weitere beliebte Ziele leichter. Wer auf dem Landweg
nach Frankreich, in die Schweiz und nach Belgien fährt, muss ab
diesem Sonntag keine Corona-Einreisebeschränkungen bei der Rückkehr
nach Deutschland mehr beachten. Wegen sinkender Infektionszahlen
fallen auch Griechenland, Norwegen und einige Regionen in Dänemark,
den Niederlanden und Spanien aus der Liste der Risikogebiete. Für
Flugreisende gilt aber weiter eine generelle Testpflicht: Jeder - ob
aus einem Risikogebiet oder nicht - muss schon vor dem Abflug ein
negatives Testergebnis, einen Impf- oder Genesenen-Nachweis vorlegen.

Die Bundesregierung bewertet regelmäßig die Corona-Lage im Ausland
und unterscheidet dabei zwischen «Virusvariantengebieten», in denen
sich neue Coronavirus-Varianten ausbreiten, «Hochinzidenzgebieten»
mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 200 und «Risikogebieten» mit

über 50. Die Einstufung ist für die Rückreise wichtig, weil sich
danach die Vorgaben für Tests, Registrierung und Quarantäne richten.
Für die Einreise in das jeweilige Land gelten die dortigen Vorgaben.

Von Frankreich bleiben nur wenige Überseegebiete auf der Risikoliste.
In den Niederlanden fallen die Küstenregionen, Friesland, Seeland und
Groningen aus der Liste, in Dänemark die Region Süddänemark an der
Grenze zu Deutschland. In Spanien sind unter anderem Katalonien mit
der bei Urlaubern beliebten Küstenmetropole Barcelona und der Costa
Brava sowie Madrid ab Sonntag «risikofrei». Wie Länder für deutsche

Urlauber eingestuft werden, veröffentlicht das RKI im Internet. Spahn
rief alle Urlauber auf, das Netz an Schnelltest-Angeboten zu nutzen.

APPELLE ZUR VORSICHT: RKI-Chef Wieler sagte, noch kursiere die in
Indien entdeckte Delta-Variante auf niedrigem Niveau von rund sechs
Prozent. Es sei aber nicht die Frage, ob sie das Infektionsgeschehen
in Deutschland dominiere, sondern wann. Spätestens im Herbst werde
sie wohl die Überhand gewinnen. Dies hänge aber auch davon ab, wie es
gelinge, die Ausbreitung mit Schutzmaßnahmen zu unterdrücken. Im
Herbst werde es in jedem Fall wieder zu mehr Neuinfektionen kommen.
Laut Spahn sollen alle positiven PCR-Tests wieder genauer auf eine
mögliche Delta-Virusform untersucht werden, nicht nur Stichproben.

Großbritannien zeige, wie fragil Erfolge in der Pandemiebekämpfung
sein könnten, mahnten Wieler und Spahn. Dort breitet sich die in
Indien entdeckte Delta-Variante stark aus und lässt trotz hoher
Impfquote die Neuinfektionen deutlich steigen. Auch bei niedrigen
Inzidenzen sei ein behutsames Öffnen in kleinen Schritten nötig,
sagte Wieler. Spahn betonte, Masken könnten nun vor allem draußen
wegbleiben. In Innenräumen und in öffentlichen Verkehrsmitteln seien
sie aber weiter wichtig. Zudem sollten Lockerungen bei steigenden
7-Tage-Inzidenzen regional auch rasch wieder zurückgenommen werden.
Und zwar nicht erst bei einer Schwelle von 50, «sondern früher».

DIE IMPFUNGEN: Bei den Corona-Impfungen hat inzwischen jeder zweite
Bürger in Deutschland mindestens eine Spritze bekommen - genau sind
es laut Bundesgesundheitsministerium 50,1 Prozent der Bevölkerung
oder 41,66 Millionen Menschen. Vollständig mit der meist nötigen
zweiten Spritze geimpft sind 29,6 Prozent oder 24,66 Millionen
Menschen. Spahn betonte, dass allein mit den Impfstoffen von
Biontech/Pfizer und Moderna nach jetzigem Stand allen Erwachsenen bis
Ende Juli eine Impfung angeboten werden könne. Lieferungen von
Astrazeneca und Johnson & Johnson kämen als Sicherheitspuffer dazu.
Der Rückschlag beim Impfstoff von Curevac mindere das Tempo der
Impfkampagne nicht.

Ärztepräsident Klaus Reinhardt rief die Erwachsenen dazu auf, alle
Impfangebote wahrzunehmen - vor allem auch Zweitimpfungen. Aktuelle
Studien zeigten, dass der Impfschutz gegen die Delta-Variante bei nur
einmaliger Impfung um 17 Prozent geringer ausfallen könnte als gegen
die derzeit dominierende Alpha-Variante. «Eine möglichst hohe
Impfquote verlangsamt die weitere Ausbreitung dieser Variante und
reduziert auch das Ansteckungsrisiko für Kinder deutlich.»