Rechnungshof moniert «Überbeschaffung» von Corona-Schutzmasken

Das Corona-Krisenmanagement war auch für den zuständigen Minister
Spahn eine Ausnahmesituation. Trotzdem durchleuchten amtliche Prüfer
das Vorgehen der Regierung - und beanstanden jetzt weitere Punkte.

Berlin (dpa) - Der Bundesrechnungshof hat die zentrale Beschaffung
von Corona-Schutzmasken durch das Bundesgesundheitsministerium im
Frühjahr 2020 scharf kritisiert. Anzuerkennen sei, unter welch hohem
Einsatz es half, eine Notlage im Gesundheitswesen abzuwenden, heißt
es in einem Bericht an den Bundestag. Die Prüfer rügen jedoch das
«Fehlen einer systematischen Mengensteuerung». Die aus «massiver
Überbeschaffung resultierenden Lagerbestände» und die aufgewendeten
Haushaltsmittel in Milliardenhöhe seien «nicht wirtschaftlich für
eine wirksame Pandemiebekämpfung eingesetzt» worden. Ressortchef Jens
Spahn (CDU) rechtfertigte das Vorgehen in der Krise, aus dem aber
Lehren zu ziehen seien. Opposition und SPD forderten Aufklärung.

Die kontrahierte Gesamtmenge aus allen Beschaffungswegen übersteige
mit 5,8 Milliarden Schutzmasken selbst einen vom Ministerium «auf der
Grundlage sachfremder Annahmen» berechneten Jahresbedarf von
4,7 Milliarden Masken noch um 23 Prozent, heißt es in dem Bericht. Er
liegt der Deutschen Presse-Agentur vor, auch der «Spiegel» berichtete
darüber. Zu den Beschaffungsausgaben von 6,3 Milliarden Euro kämen
Kosten von bislang 320 Millionen Euro etwa für Transport, Lagerung,
Qualitätsprüfungen und externe Beratung hinzu - diese könnten durch
Rechtsstreitigkeiten und Entsorgungskosten aber weiter steigen.

Der Lagerbestand habe am 1. April 2021 insgesamt 2,4 Milliarden
Masken betragen, heißt es im Bericht. «Davon gelten weite Teile als
streitbefangen, weil sie Qualitätsprüfungen nicht bestanden haben.»
Der Bundesrechnungshof forderte das Ministerium auf, eine «zeitnahe
Verteilung qualitätsgeprüfter und einsetzbarer Lagerbestände zur
Pandemiebekämpfung zu prüfen» - besonders deshalb, weil nach Ablauf
des Verfallsdatums weitere Ausgaben für die Entsorgung anfielen. Es
sei auch kritisch zu prüfen, ob für die künftige Pandemievorsorge auf

Bundesebene eine physische Bevorratung von Schutzmasken für das
Gesundheitswesen überhaupt zielführend und wirtschaftlich sei.

Spahn sagte zu den Beanstandungen des Rechnungshofs am Donnerstag in
Berlin: «Ja, es stimmt: In dieser Notlage haben wir tatsächlich
unkonventionell handeln müssen.» Er könne sich erinnern, wie
Universitätskliniken wegen fehlender Masken fürchteten, den Betrieb
einstellen zu müssen. Dann könne man sagen, man habe gerade keine
Struktur für eine Lösung - stattdessen habe das Ministerium aber auf
verschiedenen Wegen alles versucht «und auch viel bezahlt, das ist
wahr». Als Lehre daraus gelte es jetzt zu schauen, dass es nicht noch
einmal so komme.

So werde auch mit dem Bundesinnenministerium beraten, mehr operative
Einheiten für solche Fragen zu bekommen. Das Gesundheitsministerium
sei eigentlich ein Gesetzgebungsministerium. Ein weiterer Punkt sei
die geplante nationale Reserve, auch mit «rollierenden» Konzepten,
die das Haltbarkeitsdatum von Schutzgütern berücksichtigen. Zudem
solle nun eine Impfstoff-Produktionskapazität von 500 Millionen bis
700 Millionen Dosen pro Jahr ausgeschrieben werden, auf die gegen
eine Vorhaltegebühr im Fall der Fälle rasch ein Zugriff möglich sei.


Der FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke forderte schnelle Aufklärung der
deutlich gewordenen neuen offenen Fragen noch vor der Bundestagswahl.
«Das wird nur noch eine von allen Fraktionen anerkannte
Sonderermittlerin leisten können.» Union und SPD müssen endlich ihre

Blockade aufgeben. «Nur wenn wir jetzt aufklären, werden wir einen
langwierigen Untersuchungsausschuss nach der Wahl vermeiden können.»

Kritik kam auch vom Koalitionspartner SPD. Der Haushaltsexperte
Dennis Rohde nannte den Rechnungshofbericht einen «erneuten Beleg für
das Managementversagen» im Ressort Spahns. Er habe Verständnis, dass
in den ersten Monaten der Pandemie gewisses Chaos herrschte. Es sei
aber «zu viel, zu teuer und unter Missachtung von Vergaberegelungen»
bestellt worden. Der Bund sitze nun auf mehreren hundert Millionen
Masken, die wahrscheinlich am Ende vernichtet werden müssten. Spahn
müsse jetzt wieder schnell viele Fragen beantworten.

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel, sagte
der «Neuen Osnabrücker Zeitung», künftig müsse ein abgestimmtes
Beschaffungsmanagement für Krisensituationen gelten. «Weitere
unkoordinierte Aktionen können wir uns nicht leisten.»

Der Bundesrechnungshof hatte dem Gesundheitsministerium kürzlich
bereits vorgehalten, für die Verteilung von Schutzmasken Apotheken
zeitweise deutlich mehr gezahlt zu haben als nötig. Eine «massive
Überkompensation aus Steuermitteln» habe es demnach auch bei
Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser gegeben.