Tui-Aufholjagd für den Sommer läuft - Weitere Kapitalerhöhung?

Die von der Corona-Pandemie hart getroffene Reiseindustrie meldet
erste Entspannungszeichen. Branchenprimus Tui berichtet von starken
Buchungen für den Sommer und baut sein Angebot aus. Die Finanzen
könnten ebenso stabilisiert werden - es gibt aber auch Verlierer.

Hannover (dpa) - Rund ein Jahr nach Beginn der Corona-Krise bringen
sinkende Infektionszahlen, steigende Impfquoten und das Ende der
Reisewarnung für viele Länder das Geschäft bei Tui wieder in Schwung.

«Die Aufholjagd für den Sommerurlaub ist gerade in vollem Gange, und
die Konsumlaune für Reisen scheint täglich zuzunehmen», sagte
Tui-Deutschland-Chef Marek Andryszak am Mittwoch in Hannover.

«Wir verzeichnen starke Buchungswochen, die seit Mai sogar das Niveau
der Vergleichswochen von 2019 toppen. Die beliebtesten Urlaubsziele
liegen sogar prozentual zweistellig im Plus», berichtete der Manager
kurz vor Beginn der Sommerferien in den ersten Bundesländern. Tui
soll nach Informationen aus Branchenkreisen auch Szenarien einer
weiteren Kapitalerhöhung durchspielen.

Der Konzern baut seine Flug- und Bettenkapazitäten in allen beliebten
Reiseländern aus und will nun im Sommer 75 Prozent des Programms von
2019 anbieten. Die komplette, verkleinerte Tuifly-Flotte mit 22
Maschinen soll wieder im Einsatz sein. «Wir bringen alles in die
Luft, was geht», sagte der Manager Stefan Baumert. Nachholeffekte
erwartet das Unternehmen zudem im Herbst. Tui rechnet damit, dass in
der Corona-Krise ausgefallene Urlaube nachgeholt werden.

Nicht nur die Nachfrage wächst, auch die Bereitschaft der Urlauber,
mehr Geld auszugeben - zum Beispiel für schönere Hotels oder höhere
Kategorien. Die Gäste ließen sich ihren Urlaub rund 25 Prozent mehr
kosten als im Vorkrisenjahr 2019, so Andryszak. Tendenziell buchen
Sonnenhungrige zudem längere Reisen, statt 8 bis 10 Tage wie sonst
seien es im Schnitt zurzeit eher 10 bis 14 Tage. Die Pauschalreise
erlebt den Angaben zufolge eine Renaissance und hat derzeit einen
Anteil rund 70 Prozent am Gesamtmarkt.

Gefragt sind vor allem die Balearen mit Mallorca sowie Griechenland.
Die türkische Riviera mit Antalya arbeitete sich auf den dritten
Platz vor. Die Kanaren liegen in der Gunst der Tui-Urlauber ebenfalls
weit vorn. Gute Buchungen stellt der Branchenprimus auch für Ziele
fest, bei denen Urlauber mit dem Auto anreisen. Stark nachgefragt
sind beispielsweise Nord- und Ostsee. Mecklenburg-Vorpommern liegt
bei den beliebtesten Reisezielen auf Platz 9.

Wer jetzt spontan seinen Sommerurlaub buchen möchte, findet laut Tui
an allen beliebten Zielen noch genügend Angebote. In den Sommerferien
kann es aber «auf unseren touristischen Rennstrecken eng werden. Hier
sind die Familienhotels in erster Strandlage als erstes ausgebucht.»

Der Tourismus zählt zu den am härtesten von der Corona-Krise
getroffenen Branchen. Das Geschäft kam 2020 zeitweise fast ganz zum
Erliegen. Nach mehr als einem Jahr hatte die Bundesregierung jüngst
die Reisewarnung für touristische Reisen in Corona-Risikogebiete zum
1. Juli aufgehoben. Das betrifft fast 100 Länder weltweit und ist ein
weiterer großer Schritt zur Normalisierung angesichts der zumindest
in Europa abflauenden Pandemie. Urlaubern ermöglicht eine
Reisewarnung vor allem eine kostenlose Stornierung von Buchungen.

Tui ist verschuldet und wird vom Staat mit Milliardenkrediten sowie
einer speziellen Anleihe mit Umtauschrecht in Aktien unterstützt. Zur
weiteren Stärkung soll - nach einem ersten solchen Schritt im Januar
- nun eine zusätzliche Kapitalerhöhung im Gespräch sein. Insidern
zufolge lotet Tui aus, wie sich so weiteres Geld für die Rückzahlung
der Staatshilfen beschaffen ließe. Nach Informationen der
Nachrichtenagentur Bloomberg könnte es dabei unter anderem um eine
von den Eigentümern geleistete Finanzspritze von bis zu einer
Milliarde Euro gehen. Zuletzt hatten die Aktionäre um den russischen
Haupteigner Alexej Mordaschow gut 500 Millionen Euro lockergemacht.
Die Entscheidungen dürften frühestens in einigen Wochen fallen. Zudem
könne sich die Summe noch ändern, hieß es.

Die zuletzt wieder besseren Buchungen führen auch zu einer steigenden
Nachfrage nach Flügen bei der konzerneigenen Tuifly, die vor allem
als Zubringer für die Hotels und Kreuzfahrtschiffe dient. Management
und Betriebsrat der Fluggesellschaft hatten kürzlich harte
Sanierungsgespräche über eine Flottenverkleinerung und
Standortschließungen hinter sich bringen müssen - es sollen Hunderte
Stellen abgebaut werden. Dabei sollte laut Vereinbarung möglichst auf
Kündigungen verzichtet werden. Eine Garantie gab es allerdings nicht.

Jetzt ist klar, dass zumindest einige Piloten gehen müssen. «Wir
mussten hier 120 Kündigungen aussprechen», sagte Tuifly-Chef Oliver
Lackmann dem «Handelsblatt». Es sei jedoch ein weiteres Programm für

freiwilliges Ausscheiden über Abfindungen geplant. Solche Lösungen
sollen im Rahmen des Sparkurses auch in anderen Firmenteilen zum
Tragen kommen. «Die gute Nachricht: Wir werden in der Kabine jetzt
ohne betriebsbedingte Beendigungskündigungen auskommen», so Lackmann.
«Und wir arbeiten daran, das Gleiche jetzt auch noch kurzfristig für
das gesamte Bodenpersonal zu erreichen.»