Kaum Widerspruch gegen Masken-Verzicht draußen - Aber nicht innen

Die Inzidenzen sinken, und die Bundesjustizministerin hat eine
Debatte über die Maskenpflicht ausgelöst. Die Reaktionen sind relativ
einhellig.

Berlin (dpa) - In der Diskussion über die Maskenpflicht gibt es kaum
Widerspruch gegen Lockerungen im Freien - aber viele Warnungen von
Experten und Politikern vor zu früherem Verzicht in Innenräumen.
«Wenn wir in puncto Impfquote bei 70 Prozent angelangt sind, und die
Inzidenzen weiterhin auf niedrigem Niveau bleiben - dann ist der
richtige Zeitpunkt für solche Diskussionen gekommen», sagte der
Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv-

und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, der Düsseldorfer «Rheinischen
Post» (Dienstag) mit Blick auf Innenräume.

Derzeit haben rund 26 Prozent der Bürger die für den vollen
Impfschutz nötige Impfdosis bekommen - wenn man die zweiwöchige
Wartezeit bis zur vollen Wirkung einbezieht, sind erst knapp 18
Prozent voll impfgeschützt. Bis zu 70 Prozent Impfquote wird es also
noch Monate dauern.

Um die Maskenpflicht generell aufzuheben, sollte nach Ansicht des
Leipziger Epidemiologen Martin Scholz bis zum regulären Ende der
Impfkampagne gewartet werden, wie er dem Nachrichtenportal Watson
sagte. Die Bundesregierung hat jedem bis Ende September ein
Impfangebot versprochen.

Gleichwohl befürwortet er ebenso wie der Intensivmediziner Marx und
die Braunschweiger Helmholtz-Virologin Melanie Brinkmann Lockerungen
im Freien. «Da die Verbreitung der Erreger über Aerosole draußen kaum

ein Thema ist, könnten wir im Freien gut auf Masken verzichten»,
sagte Brinkmann der «Braunschweiger Zeitung» (Dienstag). Marx riet
aber, in Menschenansammlungen auch draußen eine Maske zu tragen, etwa
beim Schlangestehen oder an Bushaltestellen.

Zugleich kritisierte Brinkmann, dass Schüler in Niedersachsen bei
weniger als 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner und Woche im
Unterricht keine Masken mehr tragen müssen, obgleich Kinder in der
Regel nicht geimpft und Schnelltests nur bedingt zuverlässig sind.
«Es ist ein Stück zu früh», sagte sie. «Wir haben doch bald
Sommerferien. Die paar Wochen hätten wir doch noch warten können.»

Auch Mecklenburg-Vorpommern hat die Maskenpflicht im Schulunterricht
bereits aufgehoben. Allerdings liegt dort die Inzidenz unter 5.

Wie am Montag bereits der Lehrerverband, warnte auch die Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft (GEW) davor, die Maskenpflicht in Schulen
jetzt abzuschaffen. «Viele Klassenräume lassen sich nicht richtig
lüften. Zudem gibt es bei der Bereitstellung und Einrichtung von
Lüftungsanlagen noch erheblichen Nachholbedarf», erklärte GEW-Chefin

Maike Finnern beim Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). Viele
Lehrkräfte seien auch noch nicht vollständig geimpft.

Unionsfraktionsvize Stephan Stracke und die Grünen-
Gesundheitsexpertin Kordula Schulz-Asche äußerten sich in der «Welt
»
ebenfalls vor einem vorschnellen Aussetzen der Maskenpflicht.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte am Wochenende
darauf verwiesen, dass die Länder laufend prüfen müssten, ob und wo
die Maskenpflicht noch verhältnismäßig ist. Sie ist in Verordnungen
der Länder geregelt. Für draußen gibt es zum Beispiel Vorgaben für

belebte Plätze und Einkaufsstraßen, teils auch für Spielplätze.