Abwasser zeigt Corona-Entwicklung - Expertin drängt auf Umsetzung

Darmstadt/Wiesbaden/Frankfurt (dpa) - Im Abwasser lässt sich nach
Einschätzung des europaweit tätigen Referenzlabors zuverlässig die
Entwicklung der Corona-Pandemie verfolgen. Susanne Lackner,
Professorin für Abwasserwirtschaft an der TU Darmstadt, kann nicht
verstehen, warum diese Möglichkeit nicht flächendeckend genutzt wird:
«Die Technik ist ausgereift, die Methoden stehen - das System könnte
jederzeit etabliert werden. Es fehlt eigentlich nur am politischen
Willen», sagte Lackner der Deutschen Presse-Agentur.

In Wiesbaden läuft derzeit eine Pilotstudie, in Frankfurt ist der
Test bereits abgeschlossen. Weltweit hätten Forscher bewiesen, dass
es möglich ist, Kläranlagen als Frühwarnsystem zu nutzen, sagte
Lackner. «Grundsätzlich sieht man im Abwasser die Entwicklung früher

als im medizinischen Bereich», sagte Lackner. «Der Vorsprung beträgt

je nach Technik zwischen vier und zehn Tagen.»

Sehen kann man Lackner zufolge vor allem zwei Dinge: Das eine ist die
Zunahme oder Abnahme der Virenkonzentration, also ob mehr oder
weniger Menschen infiziert sind. Das andere ist, welche Varianten des
Coronavirus im Umlauf sind. Die Labore nutzen dafür Proben, die in
allen Kläranlagen routinemäßig aus dem Zufluss entnommen werden. Der

Aufwand sei also überschaubar. Das Argument, die Methoden seien noch
nicht ausgereift genug, lässt Lackner nicht gelten: «Es gibt noch
Forschungsbedarf, aber den gibt es doch immer. An Impfstoffen wird ja
auch weiter geforscht, und trotzdem setzen wir sie schon ein.»

Die TU Darmstadt ist eines von nur zwei Referenzlaboren für die
Sequenzierung der Abwasserproben in Europa. Das Labor hat Proben von
etwa 50 Kläranlagen aus ganz Europa analysiert und koordiniert die
beiden hessischen Pilotprojekte in Frankfurt und Wiesbaden. Das
Projekt «Abwa-SARS» der TU Darmstadt läuft bereits seit Juni 2020.
Neu ist die Technik übrigens nicht, wie Lackner sagt: «Solche Ansätze

wurden in der Vergangenheit auch schon erfolgreich für das Monitoring
von Polio-Viren eingesetzt.»