Massenandrang bei Corona-Impftag - «Wir brauchen mehr Impfstoff» Von Christine Schultze, dpa

Viele Menschen warten sehnsüchtig auf ihre Corona-Impfung - und
übernachten sogar vor einer Arztpraxis, um eine der begehrten
Impfdosen zu ergattern, wie die Aktion eines Hausarztes in
Babenhausen zeigt.

Babenhausen (dpa) - Mit diesem Massenansturm bei seinem «offenen
Impftag» hat Hausarzt Abrar Mirza nicht gerechnet: Bereits zum Start
der Corona-Impfaktion am Samstagmorgen hatten sich vor der Praxis im
hessischen Babenhausen rund 1500 bis 2000 Menschen eingefunden, um
sich den schützenden Piks abzuholen. Einige davon waren bereits am
Vortag angereist und hatten vor der Praxis campiert. Dank einer
Notfallreserve an Impfdosen habe er bis zum Abend insgesamt 1200
Menschen impfen können, darunter vorwiegend jüngere Patienten unter
40 Jahren, die wegen der Priorisierung bisher keine Chance auf eine
Schutzimpfung gehabt hätten, sagte Mirza der Deutschen
Presse-Agentur.

Die südhessische Kleinstadt mit rund 16 000 Einwohnern stellte der
Andrang allerdings vor Herausforderungen. Schon morgens hatte
Bürgermeister Dominik Stadler (parteilos) fast flehentlich dazu
aufgerufen, nicht mehr nach Babenhausen anzureisen, da es im
Stadtgebiet bereits zu erheblichen Verkehrseinschränkungen komme und
die vorgesehenen Parkplätze voll seien. Polizei und Ordnungsamt waren
vor Ort, um die Verkehrssituation unter Kontrolle zu halten. Die
große Resonanz des Impftages ist für Stadler ein klares Signal: «Wir

brauchen endlich mehr Impfstoff.» Sowohl Kommunen als auch Mediziner
täten alles dafür, um der großen Nachfrage nachzukommen, also müsst
en
auch die verantwortlichen Politiker dafür sorgen, dass mehr davon
bereitgestellt werde.

Laut Mirza verabreichte ein Team aus sieben Personen die Impfungen an
die Patienten, die teils von weither anreisten: Viele seien aus dem
Raum Aschaffenburg nach Babenhausen gefahren, selbst aus Köln reiste
laut Mirza ein Patient zu der Impfaktion. Allen Menschen, die
geduldig bis zum Schluss in der Warteschlange ausharrten, habe man
noch eine Dosis des Impfstoffs von Johnson&Johnson verabreichen
können, niemand von ihnen sei leer ausgegangen. Der Impfstoff habe
den Vorteil, dass gerade Patienten nicht noch einmal von weither nach
Südhessen kommen müssten, um sich eine zweite Dosis abzuholen, sagte
Mirza. Finanzielle Gründe hätten bei der Aktion keine Rolle gespielt.
Er habe gerade jüngeren Patienten helfen wollen, die seit langer Zeit
auf ihre Corona-Schutzimpfungen warten und nicht verreisen könnten.
Durch die Aktion seien zudem auch Unkosten entstanden, etwa weil
Security auf dem Gelände für einen reibungslosen Ablauf sorgte, sagte
Mirza.

Der Allgemein- und Notfallmediziner leitet ein Medizinisches
Versorgungszentrum in Babenhausen. Üblicherweise erhalte er dort
wöchentlich etwa 100 bis 150 Impfdosen - frustrierend wenig, wie er
sagte: Nach einem Aufruf an die Patienten, Impfwünsche per Mail
mitzuteilen, hätten sich binnen weniger Tage 5000 Menschen gemeldet,
es bleibe nicht einmal die Zeit, ihnen Absagen zu erteilen.

Um am Samstag den Zustrom zu lenken war ein Parkplatz eigens mit
einer Art Parcours ausgestattet worden, wie Bürgermeister Stadler
berichtet hatte. Auch Harmonika-Spieler Norbert Herbert -
Künstlername «Happy-Man» - fand sich ein, um den Wartenden die Zeit
mit einem Ständchen zu verkürzen. Manche von ihnen hatten sich
Klappstühle, Hocker und Getränke mitgebracht. Nach Angaben eines
Beobachters mussten einige Menschen nach ihrer Impfung wegen der
Wärme mit Kreislaufproblemen behandelt werden.

Der Hausarzt hatte nach Angaben von Stadler etwa eine Woche zuvor
bekanntgegeben, dass er 1000 Impfdosen bestellt habe und diese am
Samstag Impfwilligen ohne vorherige Registrierung verabreichen werde.
Man habe von städtischer Seite von vornherein Bedenken zu den Plänen
geäußert, weil die Befürchtung bestand, eine freie Vergabe der
Impfungen könne zu einer schwierigen und «nicht steuerbaren» Lage
führen, sagte der Bürgermeister. Die Stimmung unter den Wartenden sei
aber friedlich und gelöst gewesen, alle hätten sich an die Regeln
gehalten.

Dennoch werde man im Falle einer Wiederholung der Aktion nachsteuern,
so Stadler. Der Tag werde auch mit Blick auf die für die kommenden
Tage erwarteten hochsommerlichen Temperaturen intensiv nachbereitet.
«Wir soll man den Leuten erklären, dass sie bei 35 bis 37 Grad sieben
Stunden in der Sonne stehen sollen», so der Bürgermeister. Hausarzt
Mirza räumt ein, dass eine solche Aktion in einer Kleinstadt nicht
leicht zu handhaben sei. Er hat aber bereits eine Idee, wo sich
solche Impfungen künftig besser organisieren lassen könnten: Auf
einem ehemaligen Kasernengelände würde es nach seinen Worten genügend

Platz dafür geben.