Spahn wegen Milliardensummen für Masken in der Kritik Von Basil Wegener, dpa

Neue Vorwürfe wegen Spahns Krisenmanagement: Nun wirft der
Rechnungshof dem Gesundheitsministerium Freigiebigkeit gegenüber
Apothekern und Kliniken zu Lasten des Steuerzahler vor. Spahn lässt
die Vorwürfe nur zu einem kleinen Teil gelten.

Berlin (dpa) - Der Bundesrechnungshof hat dem Ressort von
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) überhöhte Erstattungspreise bei
der Massenverteilung von Corona-Schutzmasken im Winter vorgeworfen.
Bei der Erstattung der Masken für Menschen ab 60 oder mit
Vorerkrankungen habe es «eine deutliche Überkompensation» zugunsten
der Apotheken gegeben, so der Rechnungshof in einem neuen Bericht.
Damit reißt die Welle von Kritik am Corona-Krisenmanagement nicht ab.
Spahn wies die Vorwürfe zurück. Und erklärte das Vorgehen mit der
damaligen Krisensituation - hierin sprang ihm auch Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) bei. Die SPD-Spitze hatte wegen Vorwürfen zu angeblich
minderwertigen Masken aus China Spahns Rücktritt ins Spiel gebracht.

DIE MASKENAKTION VOM WINTER:

November 2020: Das exponentielle Wachstum war nach Europa
zurückgekehrt, ein Lockdown light hatte in Deutschland wenig
gebracht. Am 16. November beschlossen die Ministerpräsidenten und die
Kanzlerin, dass der Bund «ab Anfang Dezember» für schutzbedürftige

Gruppen eine Abgabe von insgesamt 15 FFP2-Masken gegen eine geringe
Eigenbeteiligung ermöglicht. Spahn sagt, ausgehend von einer
Altersgrenze ab 60 Jahren sei klar gewesen, dass zwischen 20 und 30
Millionen Menschen die Masken bekommen sollten. «Wir waren damals
nicht sicher, ob es überhaupt genug verfügbare Schutzmasken gibt in
einer Größenordnung von 400 Millionen.»

Spahns Verordnung sah dann die Verteilung über die Apotheken vor.
«Alternative Vertriebswege prüfte es nicht», bemängeln die
Rechnungsprüfer in ihrem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden
Bericht. Andere Medien hatten zuerst darüber berichtet. Spahn
sagt: «Ich bin dankbar, dass die Apotheken mitgegangen sind.»
Insgesamt kostete die Abgabe der Masken bis Anfang April 2,1
Milliarden Euro.

«Nicht aufklären» ließ sich laut dem Bericht dabei, wie Spahns
Ministerium zum bezahlten Erstattungspreis von 6 Euro pro Maske kam.
Eine «Überkompensation» für die Apotheker dürfte nach Ansicht der

Rechnungsprüfer auch noch der im Februar auf 3,90 Euro gesenkte
Erstattungsbetrag gewesen sein. «Preisanalysen, aus denen sich diese
Beträge hätten ableiten lassen können, konnte das
Bundesgesundheitsministerium nicht vorlegen», so die Rechnungsprüfer.
Bereits Ende Januar habe es zertifizierte FFP2-Masken für unter 1
Euro gegeben.

Spahn räumte ein, im Nachhinein könne man sagen, dass man die
Erstattungspreise hätte reduzieren können. Aber niedrigere
Erstattungspreise wären damals mit dem «hohen Risiko» verbunden
gewesen, «dass dann die Masken nicht vollumfänglich verfügbar sind»
.

WARUM BEKAMEN KLINIKEN MILLIARDEN FÜR LEERE BETTEN?

Geprüft wurden auch Zahlungen an Deutschlands Kliniken. «Eine massive
Überkompensation aus Steuermitteln» habe es auch bei
Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser gegeben, so der Bericht des
Rechnungshofs. Die Kliniken bekamen Geld für verschobene oder
ausgesetzte planbare Aufnahmen, um freie Kapazitäten für
Covid-19-Patientinnen und -Patienten zu schaffen. Die
Ausgleichszahlungen des Bundes hätten allein im Jahr 2020 10,2
Milliarden Euro betragen.

Das Gesundheitsministerium räumte in einer im Bericht zitierten
Stellungnahme ein, dass es eine Überkompensation für Krankenhäuser
gegeben haben könne - allerdings «allenfalls» bis zu einer
Anpassungs-Verordnung im Juli 2020.

Untersucht hatten die Rechnungsprüfer zudem die Förderung des Aufbaus
neuer Intensivbetten: Innerhalb eines Jahres flossen bis Anfang März
rund 686 Millionen Euro. Der Rechnungshof beanstandete, dass das
Gesundheitsministerium allerdings die Zahl tatsächlich aufgestellter
und zusätzlich angeschaffter Betten gar nicht nennen könne. Zugleich
erkennt der Rechnungshof an, unbürokratische Finanzhilfen hätten
aufgrund der offenen Corona-Entwicklung gezahlt werden müssen.

WELCHE KONSEQUENZEN HABEN DIE VORWÜRFE GEGEN SPAHN?

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland forderte einen
Untersuchungsausschuss. Die Bundesregierung habe elementare
staatspolitische Prinzipien vermissen lassen. Die FDP sieht sich in
ihrer Forderung nach einem Sonderermittler bestärkt. Schnell
aufklären könne nur eine von Fraktionen und Regierung gemeinsam
vereinbarte Sonderermittlerin, sagte der FDP-Haushaltspolitiker Otto
Fricke der Deutschen Presse-Agentur.

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte: «Das setzt die Pannenserie
des Gesundheitsministeriums und des Ministers fort.» Das
«Aneinanderreihen von Versagen» lasse an der Seriosität politischer
Entscheidungen im Gesundheitsministerium zweifeln, sagte er zu
RTL/ntv. Zuvor hatte bereits die SPD-Vorsitzende Saskia Esken Spahn
wegen dessen Umgangs mit Corona-Masken aus China den Rücktritt
nahegelegt. Angeblich sollen minderwertiger Masken vorübergehend für
Menschen mit Behinderung und Obdachlose gedacht gewesen sein. Spahn
hatte zurückgewiesen, dass diese Masken minderwertig gewesen seien.

Kanzlerin Merkel verwies auf schwierige Entscheidungssituationen in
der Pandemie. «Dass in einer solchen Zeit der Bundesrechnungshof sich
auch die Dinge sehr genau anschaut, das weiß jeder Bundesminister.»
Man dürfe aber jetzt nicht vergessen, «vor welchen Problemen wir vor
ein paar Monaten standen». Merkel erinnerte etwa auch an den Start
der Testzentren im März. «Da ging es wirklich darum, das erstmal
schnell ins Laufen zu bringen.» Angesichts des Verdachts auf
Abrechnungsbetrug hob sie Kontrollen hervor. Es gebe leider schwarze
Schafe, die Mehrzahl der Testzentren arbeite aber vernünftig.

Spahn wollte nicht auf indirekten Rücktrittsforderungen eingehen.
Wenig Verständnis habe er, wenn in der Pandemie sachfremd
argumentiert werde. «Ich möchte einfach meine Arbeit machen.»