«Wir haben es versucht»: Britischer Minister kämpft um seinen Job Von Benedikt von Imhoff, dpa

Lügen und Versagen: Ex-Regierungsberater Cummings hat vor zwei Wochen
kein gutes Haar am britischen Gesundheitsminister Hancock gelassen.
Nun muss der Ressortchef selbst zum Management in der Corona-Krise
aussagen.

London (dpa) - Manchmal wirkt es, als bewerbe Matt Hancock sich für
einen Job. Er sei ein Teamspieler und könne, wenn nötig, auch mal
seine Meinung sagen, betont Hancock. Nur dass es ihm am Donnerstag
nicht um einen neuen Job geht: Der britische Gesundheitsminister
kämpft um seinen aktuellen Posten, nachdem Ex-Regierungsberater
Dominic Cummings schwere Geschütze gegen den 42-Jährigen aufgefahren
hatte. Ob er in der Corona-Krise gelogen habe, wie von Cummings
behauptet, muss sich Hancock von Abgeordneten zweier
Parlamentsausschüsse fragen lassen. «Nein», antwortet er knapp.

Wie ein roter Faden zieht es sich durch die stundenlange, live im
Internet übertragene Befragung: Stets hätten er und sein «großartig
es
Team» nach bestem Wissen gehandelt. In vielen Fällen habe vielmehr
ein «außergewöhnliches» Fehlen von Daten eine angemessene Reaktion

der Regierung erschwert.

Cummings, einst engster Berater von Premierminister Boris Johnson und
nach Ansicht vieler Beobachter lange der einflussreichste Mensch in
der Regierung, hatte Hancock ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt.
Der Gesundheitsminister habe versagt und vielfach gelogen, etwa beim
Einkauf von Schutzausrüstung oder bei Corona-Tests für Alters- und
Pflegeheime. Hancock hatte zu Beginn der Pandemie angekündigt, einen
«Schutzring» um die Heime zu werfen. Dennoch breitete sich das Virus
dort rasch aus, Tausende starben an den Folgen. Ein Grund:
Corona-Patienten ohne Symptome wurden offensichtlich ohne Tests aus
den Kliniken entlassen - waren aber doch noch erkrankt.

Auch hier betont Hancock nun, die Regierung habe sich stets an
wissenschaftlichen Rat gehalten. Im Frühling 2020 habe der Nationale
Gesundheitsdienst (NHS) allerdings nicht die benötigten
Testkapazitäten gehabt. Die Regierung habe versucht, die Heime zu
schützen, sagt er. «Die wichtigsten Wörter dieses Satzes sind: «Wir

haben es versucht»», sagt Hancock. «Es war sehr schwierig.»

Bei diesem Thema wird der Minister, der sonst auch mal mit
vollmundigen Ankündigungen auffällt, ausnahmsweise emotional. «Ich
weiß tief hier drin, dass, was ich und mein Team getan haben, das
Beste war, das wir tun konnten», sagt Hancock auf seine Brust
zeigend. «Ich blicke jeden Tag in den Spiegel im Wissen, dass ich,
trotz meines tiefen Bedauerns um die Toten, die es gab, alles mit den
richtigen Motiven getan habe.»

Warum Cummings mit dem Finger auf ihn gezeigt habe? «Ich weiß es
wirklich nicht.» Aber es sei doch bezeichnend, dass der Ex-Berater
noch immer keine Beweise vorgelegt habe. Nach Cummings' stundenlanger
Befragung durch dieselben Ausschüsse vor zwei Wochen war Hancock
stark unter Beschuss geraten. Oppositionspolitiker legten ihm den
Rücktritt nahe, den auch Cummings mehrmals bei Premier Johnson
angemahnt hatte.

Doch der Gesundheitsminister scheint bisher jeden Sturm zu
überstehen. Auch gerichtlich bestätigtes Fehlverhalten bei der
Vergabe von Staatsaufträgen, etwa bei Schutzkleidung, perlt bisher an
Hancock ab, der treu zu Johnson steht - das zahlt sich aus. Er habe
die Rückendeckung des Premiers, betont er in der Befragung. Und auch
mit dem Termin selbst hat Hancock Glück. Lauschte vor zwei Wochen das
politische London geschlossen Cummings' Ausführungen, so ist das
Interesse diesmal deutlich reduzierter: Einen Tag vor dem Beginn des
G7-Gipfels im englischen Cornwall und der Fußball-Europameisterschaft
gibt es für die britische Presse wichtigere Themen.