Apotheken im Umbruch - zwischen Corona-Erfolg und Digitalisierung Von Matthias Arnold, dpa

Ob bei Masken, Tests oder Impfstoffen: In der Corona-Krise spielten
die Apotheken in Deutschland eine wichtige Rolle. Sie verdienten mehr
Anerkennung - und auch mehr Geld. An den längerfristigen
Herausforderungen für die Branche hat sich aber wenig geändert.

Berlin (dpa) - Die Apotheken in Deutschland müssen sich im
vergangenen Jahr gefühlt haben wie die Feuerwehr. Ob bei der
Produktion von Desinfektionsmitteln, bei der Verteilung von Masken
und Corona-Tests und zuletzt bei der Lieferung von Impfstoffen an die
Ärzte: Wann immer es in der Krise zu Engpässen kam, blickte die
Politik in ihre Richtung. Und die Apotheken lieferten. Sie
beschafften hochwertige Masken oder fanden kreative Lösungen bei der
Suche nach Bio-Ethanol für Desinfektionsmittel.

«Die Pandemie hat unseren Berufsstand in der Wahrnehmung durch die
Öffentlichkeit entscheidend gestärkt», sagte am Donnerstag deshalb
Thomas Dittrich, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands
(DAV), bei einer Branchenkonferenz in Berlin. «Unsere pharmazeutische
Kompetenz ist gefragter denn je, wir leisten in unseren Apotheken
einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie.»

Die Apotheker bekamen aber nicht nur Anerkennung, sondern verdienten
auch gut: 56,71 Milliarden Euro Umsatz machte die Branche im Jahr
2020, mehr als je zuvor. Das hat zum einen mit dem Verkauf der
Corona-Produkte zu tun, aber auch mit Vorzieheffekten, weil viele
Verbraucher zu Beginn der Krise Medikamente horteten.

Nicht immer wurde das Geld den Apothekern gegönnt. Gerade mit Blick
auf die Masken wurde Kritik laut, die Apotheker hätten günstig
eingekauft und dafür eine zu üppige Vergütung seitens des Bundes
bezogen. «Das ist Unsinn», sagte am Donnerstag Claudia Korf,
Geschäftsführerin für den Bereich Ökonomie bei der Bundesvereinigun
g
Deutscher Apothekerverbände (ABDA). «Es gab genau vier Wochen, in
denen die Regierung eine Möglichkeit gesucht hat, diese Masken an die
Bevölkerung zu verteilen.» Einzig die Apotheken seien dazu in der
Lage gewesen, «aus dem Nichts» Strukturen aufzubauen und den Einkauf
zu organisieren.

Zudem habe die Krise bei den Unternehmern auch Kosten verursacht: Im
Schnitt hat jeder Apotheker laut Zahlen des ABDA in Deutschland rund
2500 Euro ausgegeben, um die Filialen coronatauglich umzubauen und
das Personal entsprechend einzuteilen.

Hinzu kommt, dass der aktuelle Erfolg an den langfristigen
Herausforderungen für die Branche kaum was ändert. Den gestiegenen
Umsätzen steht eine weiter abnehmende Zahl an Apotheken
in Deutschland gegenüber. Insgesamt zählte die ABDA in den ersten
drei Monaten dieses Jahres rund 18 670 Filialen und Einzelapotheken.
Das waren demnach 82 Apotheken weniger als Ende 2020. Während 103
Einrichtungen schließen mussten, wurden lediglich 21 neu eröffnet.

«Leider ist der Rückgang der Betriebsstätten eine Sache, die sich
unabhängig von der Pandemie fortgesetzt hat», sagte Korf. Es gebe
weiter einen Trend zur Marktkonzentration und zur Filialisierung.

Während die Digitalisierung aus Sicht der Verbände viele
Möglichkeiten bietet, schafft sie auch Probleme: Der Anteil des
Versandhandels von Medikamenten steigt stetig. Jede fünfte Verpackung
wurde im vergangenen Jahr online bestellt und versendet. Hier sind es
vor allem ausländische Online-Apotheken, die den heimischen Verbänden

Sorgen bereiten.

Auf lange Sicht rechnet der Essener Gesundheitsforscher David
Matusiewicz mit einer Konzentration von Gesundheitsdienstleistungen
auf digitalen Plattformen. Große Konzerne wie Amazon schielten längst
auf den lukrativen Gesundheitsmarkt. «Umso wichtiger ist es, dass die
Apotheken ihre Rolle im Wettbewerb finden», sagte Matusiewicz am
Donnerstag.

Als nächste große Änderung muss sich die Branche im kommenden Jahr
auf die Einführung des E-Rezepts einstellen. Per App sollen die
Patienten dann ihre Rezepte vom Arzt erhalten und diese an Vor-Ort-,
oder Online-Apotheken weiter leiten können. Bisher müssen sie das
Rezept bei rezeptpflichtigen Online-Bestellungen per Post einreichen.
Noch gibt es dabei vor allem technische Probleme auf der IT-Seite zu
bewältigen.

Doch der DAV-Vorsitzende Dittrich verbreitete am Donnerstag
Optimismus: Nicht nur die Umstellung auf das E-Rezept würde die
Branche meistern, sondern auch die langfristigen Risiken und Chancen
der Digitalisierung.