Ramelow für Komplett-Öffnung im Herbst - Für CDU zu spät

Lange hatte Thüringen bundesweit die höchsten
Corona-Infektionszahlen. Nun diskutiert die Politik über ein Ende der
Einschränkungen. Dabei werden unterschiedliche Vorstellungen
deutlich.

Erfurt (dpa/th) - Sinkende Infektions- und steigende Impfzahlen: In
Thüringen ist eine Diskussion über den richtigen Zeitpunkt für den
Wegfall der meisten Corona-Regeln entstanden. Regierungschef Bodo
Ramelow (Linke) sprach sich einem Zeitungsbericht zufolge dafür aus,
diesen Schritt im Herbst zu gehen. «Ich glaube, wir können das Risiko
der kompletten Öffnung im Herbst eingehen», sagte Ramelow der
«Rheinischen Post». Dagegen halten das die Oppositionsparteien CDU
und FDP für zu spät. «Die Menschen erwarten jetzt #Lockerungen und
Aufhebungen. Kein Vertrösten», schrieb Voigt am Donnerstag beim
Kurznachrichtendienst Twitter.

Voigt hatte sich bereits zuvor dafür ausgesprochen, die Corona-
Einschränkungen in Regionen mit einer Inzidenz von unter 20
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern binnen einer Woche zu beenden.
«Es braucht keine Einschränkungen in Regionen Thüringens, wenn man
bereits in 12 Landkreise unter einer 20er-Inzidenz liegt», twitterte
Voigt nun.

Noch weiter würde die Thüringer FDP-Fraktion gehen, die bereits vor
Wochen ein Ende der Einschränkungen beim Unterschreiten des
Inzidenzwertes unter 50 gefordert hatte.

Ramelow sagte der «Rheinischen Post», die Widerstandskraft sei durch
den Impfstoff in diesem Jahr höher. Er wisse aber auch, dass sich 20
bis 25 Prozent der Bevölkerung nicht impfen lassen werden. «Die
müssen das Risiko dann selbst tragen und verantworten», sagte
Ramelow.

Der Virologe Alexander Kekulé warnte in einem Gespräch mit MDR
Aktuell davor, bereits im Herbst alles zu öffnen. Es sei sehr
schwierig, schon im Juni eine Prognose zu wagen, sagte Kekulé. «Rein
wissenschaftlich gibt es einfach keine Basis für so eine Prognose»,
sagte der Virologe im Podcast «Corona-Kompass».

Die Sieben-Tage-Inzidenz lag in Thüringen am Donnerstag bei 22,3 -
nach Baden-Württemberg der bundesweit höchste Wert. Fast die Hälfte
der Thüringer - 45,2 Prozent - hat bereits eine erste Corona-Impfung
erhalten, beinahe jeder vierte Bürger im Freistaat (24,2 Prozent) ist
vollständig geimpft.

In vielen Regionen des Landes gelten die meisten strengen
Corona-Regeln aus dem Lockdown wegen stabil niedriger Inzidenzen
bereits nicht mehr. Dennoch gibt es noch Beschränkungen - unter
anderem in der Frage, wie viele Menschen sich treffen dürfen, wo es
eine Pflicht zum Tragen von Masken gibt und unter welchen
Voraussetzungen Läden, Restaurants und Hotels betrieben werden
können.

Voigt forderte angesichts der niedrigen Inzidenzwerte eine Diskussion
über einen «Neustart» für die Gastronomie. «Das
Wirtschaftsministerium muss insbesondere die Lösung des sich nun
abzeichnenden Fachkräftemangels in der Branche aktiv begleiten»,
erklärte Voigt. Es müsse nun mit Hochdruck daran gearbeitet werden
«wie kurzfristig bis zu 1000 neue Mitarbeiter in Hotels und
Gastronomie eingestellt werden können».

Ansonsten drohten der Branche nach der langen Schließung aufgrund von
Personalnot weitere Umsatzeinbußen, so schätzte der CDU-Fraktionschef
die Lage ein. Ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums erklärte, es
seien bereits etliche Maßnahmen «in enger Abstimmung mit der Branche
längst auf den Weg gebracht». Als Beispiele nannte er etwa
Corona-Hilfen, einen Azubi-Zuschuss für die Sicherung der Stellen von
Auszubildenden sowie Projekte zur Fachkräftegewinnung im Ausland. Es
gebe weder ein Erkenntnis- noch ein Handlungsproblem.

Die Thüringer FDP-Fraktion forderte, die Landesregierung müsse die
Regelungen zu Veranstaltungen überarbeiten und sprach von
«ausufernder Bürokratie». Als Beispiel nannte sie unter anderem die
Regelung, dass Veranstaltungen bei Inzidenzwerten unter 35 zwei Tage
vor Beginn beim zuständigen Gesundheitsamt angemeldet werden müssen.