Mutter tötet ihr Kind - und muss für sechs Jahre ins Gefängnis

Verden (dpa) - Sie hat ihren vierjährigen Jungen aus Angst getötet,
dass Jugendamt würde ihr das Kind wegnehmen: Das Landgericht Verden
hat eine 42-Jährige wegen Totschlags zu sechs Jahren Gefängnis
verurteilt. Die Schwurgerichtskammer sei von einem «Mitnahmesuizid»
ausgegangen, die Frau habe erst ihr Kind und dann sich selbst töten
wollen, sagte ein Gerichtssprecher am Dienstag zu dem Urteil vom
Vortag (Az.: 1 Ks 101/21). Verminderte Schuldfähigkeit wurde nicht
ausgeschlossen. Das Gericht geht davon aus, dass die Frau den Jungen
im November von einer Brücke in Rotenburg in den Fluss Wümme geworfen
hatte, wo es ertrank.

Nach Angaben des Sprechers hatte die Staatsanwaltschaft sechseinhalb
Jahre Gefängnis für die Frau gefordert, die Verteidigung sprach sich
in ihrem Plädoyer für dreieinhalb Jahre aus - bei Aufhebung des
Haftbefehls.

Die Mutter hatte im Prozess weitgehend die Vorwürfe der Anklage
eingeräumt. Sie ließ von ihrer Verteidigerin eine Erklärung verlesen

und bestätigte den Hergang. An den entscheidenden Moment erinnere sie
sich aber nicht. «Der Moment, in dem ich unseren Sohn über das
Geländer warf, existiert nicht für mich.» Das Jugendamt habe früher

einmal ihre ältere Tochter für einige Tage in Obhut genommen, sagte
die Türkin zur Vorgeschichte des Falles. Damals stand der Verdacht im
Raum, sie habe das Mädchen gewürgt. Das habe aber nicht gestimmt.
«Ich habe das Jugendamt nicht als Hilfe, sondern als Bedrohung
empfunden», erklärte sie.

Drei Tage vor der Tötung war der vierjährige Sohn mit schweren
Verbrühungen ins Krankenhaus gekommen. Die Mutter sagte, der Junge
habe sich und sein Bett eingenässt. Sie habe ihn abduschen wollen.
Weil er sich wehrte, habe sie nicht gemerkt, dass das Duschwasser zu
heiß war. In der Klinik habe ein Arzt den Vater wegen der
Verletzungen angesprochen, danach habe ihr Mann gesagt, das Amt werde
ihnen das Kind wegnehmen. Die Mutter flüchtete dann mit ihrem Kind
über eine Feuertreppe aus der Klinik.