Weiter Kritik an Bundes-Notbremse - Einsätze gegen «Querdenker»

Die Bundes-Notbremse gegen das Coronavirus ist noch nicht in
trockenen Tüchern. Intensivmedizinern kommt sie nicht schnell genug,
doch auch die Kritik daran reißt nicht ab. Unterdessen protestieren
in mehreren Städten Gegner der Corona-Maßnahmen.

Berlin (dpa) - Die Kritik an den Regierungsplänen für eine
bundeseinheitliche Notbremse zur Bekämpfung des Coronavirus reißt
nicht ab. Insbesondere die ab 21.00 Uhr geplanten
Ausgangsbeschränkungen sind umstritten. Marco Buschmann, Erster
Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP im Bundestag, sagte dazu
der «Welt am Sonntag»: «Sollte die große Koalition starrsinnig
bleiben, wird eine Flut von Verfassungsbeschwerden über Karlsruhe
hereinbrechen. Auch die FDP-Fraktion behält sich eine Klage vor dem
Bundesverfassungsgericht vor.»

Der Bundestag hatte sich am Freitag in erster Lesung mit der Novelle
des Infektionsschutzgesetzes und der darin enthaltenen Notbremse
befasst. Neben den Ausgangsbeschränkungen sollen
Kontaktbeschränkungen zum Brechen der dritten Corona-Welle greifen,
und zwar in Kreisen und Städten ab einer Inzidenz von 100
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern in einer Woche.

Nach Informationen der «Welt am Sonntag» verhandelten die
Fraktionsspitzen von Union und SPD am Samstagnachmittag über die
Neufassung. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese
sagte der Zeitung: «Für die SPD ist nach wie vor wichtig, dass
Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit haben, während der
Ausgangsbeschränkungen zu joggen oder vor die Tür zu gehen.»

Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) am
Samstag 23 804 Corona-Neuinfektionen. Zudem wurden innerhalb von 24
Stunden 219 neue Todesfälle verzeichnet. Das geht aus Zahlen von
Samstagmorgen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 05.20 Uhr
wiedergeben. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz lag bei 160,7. In
seinem aktuellen Lagebericht von Freitagabend schreibt das RKI: «Nach
einem vorübergehenden Rückgang der Fallzahlen über die Osterfeiertage

setzt sich der starke Anstieg der Fallzahlen fort.» Besonders in den
jüngeren Altersgruppen seien die Zahlen gestiegen.

Intensivmediziner drängten die Politik zur Eile und warnten vor
zeitraubendem Streit über Details. «Es ist momentan keine Zeit für
tage- oder wochenlange Diskussionen - jetzt ist höchste Zeit zu
handeln», sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären
Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag). Man brauche die
bundesweite Notbremse - und zwar besser gestern als heute.

In Brandenburg soll laut Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ab
Montag eine Ausgangsbeschränkung zwischen 22.00 Uhr und 5.00 Uhr für
Regionen gelten, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz mindestens drei
Tage lang über 100 liegt. Das saarländische Modellprojekt mit
Corona-Lockerungen auf der Basis von Schnelltests wird indes
fortgesetzt, jedoch unter teils verschärften Vorgaben. Das teilte die
Staatskanzlei in Saarbrücken am Samstag mit.

In Stuttgart und Dresden Städten setzte die Polizei am Samstag mit
einem Großaufgebot Verbote von Demos durch. In der Stuttgarter
Innenstadt skandierten zahlreiche «Querdenker» und weitere Gegner der
Corona-Politik Parolen, trugen Trommeln und Fahnen, viele dafür aber
keine Masken. Auch Abstände wurden nicht eingehalten. Die Polizei
stoppte nach eigenen Angaben mehrere spontane, nicht genehmigte
Aufzüge und Gruppenbildungen, nahm Personalien der Teilnehmer auf und
erteilte Platzverweise. In Dresden kontrollierten die Beamten im
Stadtzentrum immer wieder kleinere Gruppen. Teilweise wurden
Platzverweise ausgesprochen, vielerorts die Identitäten überprüft.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte am Samstag
in Dresden das Verhalten der AfD und eines Teils der Bevölkerung im
Freistaat in der Corona-Krise scharf kritisiert. In einer Rede auf
dem Landesparteitag der CDU warf er der AfD, «Querdenkern» und
anderen «verschwurbelten Menschen» vor, die Verantwortlichen von der
Arbeit abzuhalten, Leute zu irritieren und den klaren Kurs, den man
bei der Bekämpfung der Pandemie brauche, kaputt zu machen.

Auch in Wiesbaden stoppte die Polizei mehrere Hundert Menschen aus
dem Umfeld einer «Querdenken»-Demonstration auf dem Weg in die
Innenstadt. In Thüringen kam es ebenfalls zu mehreren
Polizeieinsätzen wegen «Querdenkern». In Berlin demonstrierten viele

Hundert Camping-Freunde mit Wohnmobilen und Wohnwagen für eine
sofortige Öffnung der Stell- und Campingplätze.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte die Polizei
zuvor in den Zeitungen der Funke Mediengruppe aufgerufen, bei
massiven Regelverstößen oder gar strafbaren Handlungen müsse
«glasklar eine rote Linie gezogen und konsequent vorgegangen werden».